Die Revolution der Ameisen
ihrer riesigen Stadt. Doch dafür ist es schon zu spät: Hinter der Pyramide kommen plötzlich zwei lange Reihen von Soldatinnen hervor, die eine links, die andere rechts, und diese Militärkolonnen erwecken bei der Prinzessin den Eindruck, als wären es die Mandibel von Bel-o-kan.
Ihre Schwestern eilen nicht etwa auf sie zu, um ihr zu gratulieren, sondern um sie aufzuhalten. Im Wald hat sich längst die Kunde verbreitet, daß revolutionäre Ameisen unterwegs sind, die trotz des Tabus Feuer mit sich führen und eine Allianz mit den Fingern, diesen schrecklichen Riesen, anstreben.
Auch Nr. 5 sieht den Feind und ist sehr beunruhigt.
Die Legionen formieren sich in Schlachtordnung, und an der Aufstellung hat sich seit der kämpferischen Jugend von Nr. 10\1 nichts geändert: vorne die Artillerie, die ihre Säurestrahlen abfeuern wird, an der rechten Flanke die Kavallerie der galoppierenden Soldatinnen, an der linken Flanke die Soldatinnen mit besonders langen, scharfen Mandibeln und hinten die Soldatinnen mit kurzen Mandibeln, die Verletzte töten sollen.
Nr. 103 und Nr. 5 bewegen ihre Fühler mit 1200\1 Vibrationen pro Sekunde, um ihre Gegner besser identifizieren zu können, aber im Grunde könnten sie sich diese Mühe sparen, denn an den Tatsachen ist nicht zu rütteln: Sie sind nur 50000, darunter viele Nicht-Ameisen, und ihnen stehen 12000\1 belokanische Kriegerinnen gegenüber! Die Prinzessin unternimmt einen letzten Versöhnungsversuch mit eindringlichen Pheromonsignalen:
Soldatinnen, wir sind Schwestern.
Auch wir sind Belokanerinnen.
Wir sind zurückgekommen, um die Stadt vor einer großen Gefahr zu warnen.
Die Finger werden in den Wald eindringen.
Keine Reaktion.
Wir wollen mit Mutter sprechen.
Das feindselige Mandibelrasseln ist Antwort genug. Die belokanischen Truppen sind von einem Angriff nicht abzuhalten. Für weitere Verhandlungen bleibt keine Zeit. Sie müssen sich schnell eine Verteidigungsstrategie ausdenken.
Nr. 6 schlägt vor, die linke Flanke anzugreifen. Sie hofft, mit Hilfe des Feuers eine Panik unter den schwerfälligen Ameisen auslösen zu können, so daß sie umschwenken und gegen die eigenen Truppen kämpfen.
Prinzessin Nr. 103 findet die Idee nicht schlecht, meint aber, bei der Kavallerie könnte das Feuer noch mehr Verwirrung stiften.
Kurze Beratung. Das größte Problem der Revolutionäre besteht darin, daß niemand vorhersagen kann, wie sich die anderen Insekten bei einer Schlacht verhalten werden. Was werden die ganz kleinen Ameisen machen, die mit ihren Mandibeln überhaupt keinen Schaden anrichten können? Von den Schnecken ganz zu schweigen, die sich so langsam bewegen und bestimmt in Panik geraten, wenn sie plötzlich von feindseligen Ameisen umringt sind.
Die Föderationsarmee rückt unaufhaltsam vor, wohlgeordnet nach Kasten, Mandibelgröße und Fühlersensibilität. Sie scheint sogar noch Verstärkung bekommen zu haben. Es müssen mehrere hunderttausend Ameisen sein!
Allen Revolutionären ist klar, daß die Schlacht verloren ist, noch bevor sie begonnen hat. Viele kleine Insekten treten die Flucht an.
Die Armee kommt immer näher.
Endlich begreifen auch die Schnecken, daß Gefahr droht. Sie reißen ihre großen Mäuler weit auf und stoßen lautlose Angstschreie aus. Ihre 25600 winzigen Zähne eignen sich nur zum Zerfetzen von Salatblättern, nicht aber zum Kampf gegen aggressive Ameisen. Sie richten ihre Oberkörper auf, werfen die Lasten ab, mit denen sie sich abgeschleppt haben, und verlassen das Schlachtfeld, so schnell sie können.
Schon hat die erste Linie der Artillerie Position bezogen, und ein Säureregen geht auf die vordersten Reihen der Revolutionäre nieder. Wer getroffen wurde, windet sich vor Schmerzen.
Eine zweite Linie löst die erste ab und richtet genausoviel Verwüstung an.
Bei den Revolutionären gibt es immer mehr Deserteure. So groß ist ihr Interesse an den Fingern nun auch wieder nicht, daß sie bei einem Kampf mit der großen Föderation roter Ameisen ihr Leben aufs Spiel setzen wollen.
Eine gespenstische Stille breitet sich aus. Beide Armeen wissen, daß es gleich zum Nahkampf kommen wird. 22000\1 gegen weniger als 50000 – das verspricht eine grandiose Schlacht zu werden.
Eine Ameise der Föderationsarmee hebt einen Fühler und gibt ein Geruchssignal.
Angriff!
Sofort steigen aus Tausenden und Abertausenden von Fühlern Kampfgerüche auf.
Die Revolutionäre wappnen sich gegen die erste Angriffswelle, indem sie ihre Beine fest in
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