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Die Revolution der Ameisen

Die Revolution der Ameisen

Titel: Die Revolution der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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methodische –
    Gehirnhälfte sollte durch eine zweite Versammlung repräsentiert werden, deren Aufgabe darin bestehen würde, die Ideen der rechten Hälfte kritisch zu prüfen und in die Tat umzusetzen.
    »Und wer entscheidet darüber, wer an dieser oder jener Versammlung teilnehmen darf?« fragte jemand.
    Julie erwiderte, daß es im lebendigen Organismus keine Hierarchie gebe und daß es deshalb jedem freistehe, sich an den Versammlungen zu beteiligen.
    »Und was für eine Funktion haben wir acht in diesem lebendigen Organismus?« fragte Ji-woong.
    Sie waren die Initiatoren der Revolution und mußten deshalb auch weiterhin eine autonome Gruppe bilden, ein selbständiges Organ.
    »Wir acht sind der Kortex«, antwortete Julie, »die Großhirnrinde, und wir werden uns weiterhin im Probenraum unter der Cafeteria treffen.«
    Alles war komplett. Alles war am richtigen Platz.
    »Guten Tag, meine lebendige Revolution«, murmelte sie vor sich hin.
    Auf dem Hof wurde über ihr Konzept lebhaft diskutiert. Als die Aufregung sich ein wenig gelegt hatte, kündigte sie an:
    »Wir werden jetzt in der Turnhalle unser Pow-wow abhalten.
    Jeder, der will, kann kommen. Die besten Ideen werden anschließend der praktischen Versammlung zur Begutachtung übergeben, und wenn diese sie billigt, eröffnen wir weitere Filialen unserer GmbH.«
    Eine große Menge strömte in die Turnhalle und setzte sich auf den Boden. Zur Stärkung gab es für alle etwas zu essen und zu trinken.
    »Wer will den Anfang machen?« fragte Ji-woong, der eine große Tafel aufgestellt hatte, um die Ideen notieren zu können.
    Mehrere Personen hoben die Hand.
    »Beim Beobachten von Infra-World fiel mir ein, daß man ein ähnliches Programm entwickeln könnte, bei dem die Zeit aber noch schneller vergeht«, sagte ein junger Mann.
    »Auf diese Weise wüßten wir über unsere Entwicklung bis in die ferne Zukunft hinein Bescheid und könnten gravierende Fehler vermeiden.«
    »Etwas Ähnliches hat Edmond Wells in seiner Enzyklopädie vorgeschlagen«, warf Julie ein. »Er nennt das die ›Suche nach dem Weg der geringsten Gewalt‹, abgekürzt WGG.«
    Der junge Mann ging zur Tafel. »WGG? Weg der geringsten Gewalt? Warum nicht! Man müßte dazu nur ein großes Diagramm mit allen Wegen zeichnen, die sich der Menschheit in Zukunft eröffnen, und dann könnte man ihre Auswirkungen erforschen, nicht nur kurz-, mittel-und langfristig, sondern auch sehr langfristig. Im Augenblick gibt es doch fast nur Fünf-oder Siebenjahrespläne, aber es wäre wichtig zu sehen, wohin diese oder jene Entscheidung in 200 oder 500 Jahren führen wird. Dann könnten wir unseren Kindern und Kindeskindern endlich eine Zukunft ohne Barbarei garantieren.«
    »Du willst also ein Programm entwerfen, das alle Zukunftsmöglichkeiten testet?« faßte Ji-woong zusammen.
    »Genau. Was würde passieren, wenn man die Steuern erhöht, die Geschwindigkeit auf Autobahnen auf hundert Stundenkilometer begrenzt, Drogenkonsum erlaubt, die Teilzeitarbeit fördert, die Privilegien der Körperschaften abschafft oder Krieg gegen Diktaturen führt …? An Ideen, die man testen könnte, fehlt es wahrlich nicht.«
    »Ist das machbar, Francine?« fragte Ji-woong.
    »Nicht mit Infra-World. Dort vergeht die Zeit viel zu langsam, als daß es möglich wäre, die ferne Zukunft zu testen.
    Aber ich könnte mir durchaus ein anderes Simulationsprogramm namens ›Suche nach dem WGG‹
    vorstellen.«
    »Und was nutzt es uns, die ideale Politik zu entdecken, wenn wir sie nicht in die Tat umsetzen können?« rief ein kahlköpfiger Mann. »Wenn wir unsere Ideen in die Tat umsetzen und die Gesellschaft verändern wollen, müssen wir mit legalen Mitteln an die Macht kommen. In einigen Monaten sind Präsidentschaftswahlen. Stellen wir doch einen Kandidaten der ›Evolutionspartei‹ auf, dessen Programm auf Erkenntnissen aus dem WGG basiert. Wir wären die erste Partei, die eine logische Politik auf der Grundlage wissenschaftlicher Zukunftsforschung anbieten kann.«
    Sofort kam es zu hitzigen Diskussionen zwischen Befürwortern und Gegnern einer politischen Betätigung. Zu letzteren gehörte auch David, der energisch erklärte: »Keine Politik! Das Gute an der ›Revolution der Ameisen‹ ist ja gerade, daß es sich um eine spontane Bewegung ohne politische Ambitionen handelt. Wir haben keinen Anführer, und deshalb können wir auch keinen Kandidaten aufstellen.
    Wie die Ameisen, so haben zwar auch wir eine Königin – Julie
    –, aber sie

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