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Die Revolution der Ameisen

Die Revolution der Ameisen

Titel: Die Revolution der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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daß die Föderationsarmee das Schlachtfeld verläßt, um den Brand zu löschen.
    Das Feuer wütet in der Kuppel der Stadt. Beißender Rauch, der nach verbranntem Holz, Ameisensäure und geschmolzenem Chitin stinkt, steigt empor und verpestet die Luft.
    Arbeiterinnen schleppen durch Notausgänge die Eier ins Freie. Überall versuchen Belokanerinnen, die Flammen mit Speichel oder verdünnter Ameisensäure zu ersticken. Nr. 10\1 steigt aus dem Tunnel und signalisiert ihren Truppen, den Feind nicht zu verfolgen, sondern einfach abzuwarten.
    Die Prinzessin weiß, daß die ›Revolution der Finger‹ erst begonnen hat, aber sie wird ihr mit Mandibeln und Feuer zum Sieg verhelfen.

141. IDEEN UND IDEALE
    Am Morgen des fünften Tages wehte die Fahne der
    ›Revolution der Ameisen‹ immer noch über dem Gymnasium von Fontainebleau.
    Die Besatzer hatten die schrille Schulklingel abgeschaltet, und nach und nach legten alle ihre Uhren ab. Das war ein unvorhergesehener Aspekt ihrer Revolution: Die Zeit hatte an Bedeutung verloren.
    Viele gewannen den Eindruck, daß jeder Tag einen Monat dauerte, denn seit sie in der Enzyklopädie gelesen hatten, daß man die Tiefschlafphasen komprimieren konnte, kamen sie mit drei Stunden Schlaf aus, ohne sich am Morgen müde zu fühlen.
    Die Revolutionäre hatten aber nicht nur ihre Uhren abgelegt, sondern auch die schweren Schlüsselbunde, die sie sonst mit sich herumschleppten: Wohnungsschlüssel, Autoschlüssel, Garagenschlüssel, Schrankschlüssel, Schreibtischschlüssel …
    Hier gab es nichts zu stehlen.
    Ihre Geldbörsen brauchten sie auch nicht, denn auf dem Schulhof konnte man ohne Geld in der Tasche herumbummeln.
    Sogar ihre Ausweise lagen jetzt in Schubladen; denn hier kannte sich jeder vom Sehen, und man redete sich nur mit Vornamen an. Familiennamen und Adressen spielten keine Rolle mehr.
    Doch nicht nur die Taschen der Revolutionäre hatten sich geleert, sondern auch ihre Köpfe. Sie brauchten ihr Gedächtnis nicht mehr mit Kontonummern, Kreditkartennummern und sonstigen Zahlenkombinationen zu belasten, die man im Alltagsleben auswendig wissen mußte, wenn man nicht als Clochard enden wollte.
    Hier hatten Alte und Junge, Reiche und Arme die gleichen Rechte und Pflichten. Besondere Sympathien entwickelten sich durch gemeinsame Arbeit an irgendeinem Projekt, und Wertschätzung hing nur von vollbrachten Leistungen ab.
    Die Revolution stellte keine Forderungen an sie, und dennoch waren die jungen Leute noch nie im Leben so fleißig und so voll Tatendrang gewesen. Ständig gingen ihnen neue Ideen, Bilder und Konzepte durch den Kopf. Es gab so viele praktische Probleme zu lösen!
    Um neun Uhr morgens stieg Julie aufs Podium, um eine Rede zu halten. Sie verkündete, endlich ein Vorbild für die ›Revolution der Ameisen‹ gefunden zu haben: den lebendigen Organismus.
    »Im Innern eines Körpers gibt es weder Rivalitäten noch Kämpfe. Wir alle kennen von Geburt an eine harmonische Gesellschaft – unsere Zellen, die eine friedliche Koexistenz führen. Und das, was sich in unserem Innern so großartig bewährt, müssen wir als Modell für unser Leben in der Gemeinschaft wählen.«
    Alle lauschten aufmerksam.
    »Die Ameisenbauten stellen längst solche lebendigen Organismen dar«, fuhr Julie fort, »und deshalb integrieren sich diese Insekten so gut in die Natur, denn die Natur liebt das, was ihr ähnlich ist.«
    Sie deutete auf die große Kunststoffameise in der Mitte des Schulhofs. »Das ist das Geheimnis: l + 1 = 3. Je solidarischer wir sind, desto mehr werden wir in Harmonie mit der Natur leben, innerlich und äußerlich. Von nun an wollen wir versuchen, dieses Gymnasium in einen kompletten lebendigen Organismus zu verwandeln.«
    Plötzlich kam ihr alles ganz einfach vor. Ihr eigener Körper war ein kleiner Organismus, das Gymnasium ein größerer, und die Revolution, die sich dank der Informatik in alle Welt ausbreitete, ein noch größerer und wichtigerer.
    Sie schlug vor, alles gemäß diesem Konzept umzubenennen.
    Die Mauern des Gymnasiums waren die Haut, die Fenster waren die Poren, die Amazonen vom Aikido-Club waren die Lymphozyten, die Cafeteria war der Darm, und das Geld, das die GmbH einnahm, war die energiespendende Glukose. Als Informationsnetz diente das Nervensystem, das Nachrichten weiterleitete.
    Und das Gehirn? Julie überlegte. Die rechte Gehirnhälfte, die intuitive – das war ihr morgendliches Pow-wow, bei dem neue Ideen entwickelt wurden. Die linke –

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