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Die Revolution der Ameisen

Die Revolution der Ameisen

Titel: Die Revolution der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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Kunst bestenfalls die Natur imitieren könne, und vielleicht hatte sie noch nie so schön wie jetzt gesungen. Einige Wölfe antworteten ihr aus der Ferne.
    »OUUUUUHHH.«
    In der Sprache der Wölfe hieß das: Willkommen in der Gemeinschaft all jener, die gern den Mond anheulen. Das macht Spaß, stimmt’s?
    Julie heulte eine gute halbe Stunde lang und dachte dabei, daß sie – sollte sie eines Tages eine neue utopische Gemeinschaft gründen – allen Mitgliedern empfehlen würde, mindestens einmal in der Woche, vielleicht samstags, gemeinsam den Mond anzuheulen. Gemeinsam mußte es noch viel schöner sein. Aber jetzt war sie ganz allein im Wald, ohne Freunde, ohne eine Menschenseele, allein unter dem unendlichen Himmelsgewölbe. Ihr freudiges Heulen verwandelte sich in leises Wimmern.
    Seit der ›Revolution der Ameisen‹ hatte sie sich daran gewöhnt, ständig Menschen um sich zu haben, mit denen sie über neue Erfahrungen und neue Ideen reden konnte.
    In der Gruppe hatte sie sich so glücklich gefühlt wie nie zuvor. Ji-woong … aber nicht nur Ji-woong. Auch die ironische Zoé, die verträumte Francine, der unbeholfene Paul, der weise Léopold, der schelmische Narcisse – armer Narcisse!
    – und David … David, den wahrscheinlich die Hunde zerfleischt hatten … Welch ein schrecklicher Tod! Sogar ihre Mutter fehlte ihr plötzlich …
    Sie schloß die Augen und entfaltete den Lichtschleier ihres Geistes, bis er wie eine riesige Wolke den ganzen Wald umhüllte. Das war also immerhin noch möglich, auch wenn sie allein war! Sie schickte ihren Geist in den Schädel zurück und heulte noch ein wenig den Mond an. »OOOOUUUUUUUHHH.«
    »OOOOOUUUUUUUHHH«, antwortete ein Wolf.
    Kein Mensch konnte sie hier hören, nur einige Wölfe, die sie nicht kannte und auch gar nicht kennenlernen wollte. Plötzlich sah sie ein Licht und schöpfte neue Hoffnung. Das muß die fliegende Ameise sein, die unsere Führerin sein wollte, dachte sie.
    Aber es waren nur Leuchtkäfer, die ihren Liebestanz vollführten. Sie tanzten in drei Dimensionen, von ihrem eigenen Licht beschienen. Es mußte schön sein, als Leuchtkäfer mit Freunden zu tanzen!
    Julie fror.
    Sie wußte, daß sie Ruhe brauchte, und programmierte ihren Geist darauf, sofort in den erholsamen Tiefschlaf zu verfallen.
     
    Um sechs Uhr morgens wurde sie von Gebell geweckt, aber es waren keine Polizeihunde. Diese Freudentöne hätte sie unter Tausenden erkannt. Es war Achille! Er hatte sie gefunden. Die Polizei hatte ihn dazu mißbraucht, sie zu finden!
    Ein Mann klemmte sich seine Taschenlampe unters Kinn, um nach ihr zu greifen, aber es war kein Polizist, auch nicht der Kommissar.
    »Gonzague!« rief sie erschrocken.
    »Ja, die Bullen wußten nicht, wie sie dich finden sollten, aber ich bin dann auf die Idee mit deinem Hund verfallen. Das arme Tier war allein im Garten, und als ich ihn an dem Stück von deinem Rock schnuppern ließ, das ich neulich eingesteckt habe, machte er sich sofort auf die Suche nach dir. Hunde sind wirklich die besten Freunde des Menschen.«
    Er und seine Kumpane zogen Julie vom Baum herunter und banden sie daran fest.
    »Ah, diesmal werden wir so tun, als wäre diese Tanne ein Marterpfahl der Indianer! Letztes Mal hatten wir nur ein Messer, aber inzwischen haben wir Fortschritte gemacht …« Er zeigte ihr stolz einen Revolver.
    »Du kannst schreien, soviel du willst, hier im Wald wird dich niemand hören, höchstens deine Freunde – die Ameisen!«
    »Warum macht ihr so etwas?« fragte Julie.
    »Warum? Es macht uns Spaß, andere leiden zu sehen.«
    Er schoß Achille in die Vorderpfote. Der Hund jaulte und schaute verwirrt hoch, doch noch bevor er begriffen hatte, daß er sich den falschen Verbündeten ausgesucht hatte, wurde ihm die andere Vorderpfote durchschossen, dann die Hinterpfoten und die Wirbelsäule. Ein Kopfschuß erlöste ihn von seinen Qualen.
    Gonzague lud seinen Revolver nach.
    »So, und jetzt bist du an der Reihe!«
    Er hielt ihr die Waffe an die Wange.
    »Halt! Laßt sie in Ruhe!«
    Gonzague drehte sich um.
    David!
    »Das Leben ist doch eine ewige Wiederholung! David eilt der schönen gefangenen Prinzessin wie immer zu Hilfe. Das ist sehr romantisch, aber diesmal wird die Geschichte kein Happy-End haben …«
    Er richtete seinen Revolver auf David und hatte den Finger schon am Abzug, als er plötzlich umfiel.
    »Vorsicht, eine fliegende Ameise!« rief einer seiner Freunde.
    Es war wirklich die fliegende Ameise, und dem winzigen

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