Die Revolution der Ameisen
ihnen, damit kein Feind die Situation für einen Überraschungsangriff ausnutzen kann.
Nr. 7 belädt ihre Schnecke mit einem langen Hanfblatt, auf dem sie den langen Marsch zu den Fingern künstlerisch festhalten will, sowie mit Pigmenten in verschiedenen Farben: Pollen, Käferblut und Sägespanpulver.
Endlich sind alle bereit, und es ist auch warm genug, um loszumarschieren. Ein aufgerichteter Fühler gibt das Signal: Vorwärts!
Die riesige Karawane aus mindestens 700000 Insekten setzt sich in Bewegung. Die Dreiecksformation der Kundschafterinnen bildet die Vorhut, gefolgt von der Artillerie und der ersten Schnecke, die einen Kieselstein mit Glut auf dem Rücken trägt. Dahinter marschiert die Infanterie, deren Aufgabe es sein wird, auf die Jagd zu gehen, um alle mit frischen Nahrungsmitteln zu versorgen.
Auch die zweite Schnecke schleppt einen glühenden Kieselstein, und dann kommen die Fremdenlegionen: schwarze und gelbe Ameisen.
Prinz Nr. 24 und Prinzessin Nr. 103 reisen bequem auf einer Schnecke, denn ein so langer Fußmarsch kann königlichen Hoheiten nicht zugemutet werden.
Die Nachhut besteht aus einem Trupp Artillerie und zwei Schnecken.
Alle sind von dem stolzen Bewußtsein erfüllt, eine für die ganze Insektenwelt äußerst wichtige Mission auszuführen. Der Boden erbebt unter dieser gewaltigen Truppe, Grashalme werden niedergewalzt, und sogar die Bäume blicken staunend auf eine solch endlose Prozession hinab. Noch nie haben sie so viele Ameisen auf einmal gesehen, und noch nie haben sie erlebt, daß Schnecken sich mit Ameisen zusammentun und rauchende Steine befördern.
Am Abend wird ein riesiges Biwak gebildet. Die Ameisen in der Nähe der Glut bleiben wach, die anderen schlafen ein.
Prinzessin Nr. 103 richtet sich auf vier Beine auf und erzählt von den Fingern.
184. GEDÄCHTNISPHEROMON: ARBEIT
Registratorin Nr. 10 ARBEIT:
Zuerst haben die Finger um Nahrung gekämpft.
Dann, als alle genug zu essen hatten, kämpften sie um die Freiheit.
Als sie die Freiheit hatten, haben sie gekämpft, um sich möglichst lange ausruhen zu können, ohne zu arbeiten.
Jetzt haben die Finger mit Hilfe von Maschinen dieses Ziel erreicht.
Sie bleiben zu Hause und genießen die Nahrung, die Freiheit und das Nichtstun, doch anstatt sich zu sagen: »Das Leben ist schön, man kann seine Tage mit Nichtstun verbringen«, sind sie unglücklich und wählen Führer, die ihnen Arbeit versprechen.
185. DAS ALLERHEILIGSTE
Dornenbüsche umgeben eine Mulde. In der Mitte ragt ein Hügel empor, gekrönt von einem kleineren Hügel. Vögel zwitschern fröhliche Lieder, und die Zypressen hören ihnen zu und wiegen sich im Takt.
»Irgendwie kommt mir diese Gegend bekannt vor«, murmelte Julie.
Die fliegende Ameise führte sie aber nicht zu den Hügeln, sondern zu einem tiefen Graben.
Jetzt war Julie sich ganz sicher. Dort unten hatte sie die Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens gefunden.
»Wenn wir da runtersteigen, kommen wir nie wieder rauf«, sagte David skeptisch.
Die Ameise umkreiste sie ungeduldig, und schließlich gehorchten sie ihr.
Sie zerkratzten sich Hände und Gesichter an Dornen, Akazien, Quecken und Kratzdisteln. Hier wuchs wirklich fast alles, was es in der Pflanzenwelt an Stacheligem gab. Nur einige Winden brachten etwas Farbe in diese rauhe Welt.
Die fliegende Ameise führte sie zu einem Tunnel, in den sie auf allen vieren hineinkrochen, wobei das Insekt ihnen mit seinem Auge leuchtete.
»Irgendwann geht es einfach nicht mehr weiter«, sagte Julie.
»Das weiß ich, weil ich schon einmal hier war.«
Tatsächlich war der Tunnel plötzlich zu Ende, und die Ameise ließ sich auf dem Boden nieder, so als hätte sie ihre Aufgabe erfüllt. »So, und jetzt können wir mühsam zurückkriechen«, seufzte das junge Mädchen.
»Warte, dieser Roboter hat uns bestimmt nicht umsonst hierhergeführt«, meinte David.
Er tastete die Wand ab und spürte etwas Hartes und Kaltes.
Unter einer Erdschicht kam eine runde Metallplatte zum Vorschein, die von der Ameise sofort beleuchtet wurde. Ins Metall war ein Rätsel eingraviert, und darunter befand sich eine Tastatur, um die Antwort eintippen zu können.
Gemeinsam entzifferten sie: »Wie bildet man aus sechs Streichhölzern acht gleich große gleichseitige Dreiecke?«
Jetzt also auch noch Geometrie! Julie vergrub stöhnend ihren Kopf in den Händen. Das Schulsystem holte einen überall ein.
»Das ist das Rätsel aus dem Fernsehen«, sagte David,
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