Die Revolution der Ameisen
Meine ferngesteuerten Ameisen halten uns über vieles auf dem laufenden, wofür die Medien sich nicht interessieren.«
»Aber wer sind Sie eigentlich?«
Arthur erzählte seine Geschichte. Er war früher Roboterspezialist gewesen und hatte für die Armee ferngesteuerte Roboter in Form von Wölfen entwickelt, die es reichen Ländern ermöglichten, die eigenen Verluste an Menschenleben niedrig zu halten, wenn sie gegen arme Länder Krieg führten, wo man im Grunde froh war, die Bevölkerungsexplosion durch viele Tote eindämmen zu können. Dann hatte er jedoch festgestellt, daß die mit der Steuerung der ›Stahlwölfe‹ beauftragten Soldaten einem Mordrausch verfielen und wie bei einem Videospiel alles niedermähten, was sich auf ihren Bildschirmen rührte.
Angewidert hatte er den Dienst quittiert und einen Spielwarenladen eröffnet: ›Arthur – der Spielzeugkönig‹. Er hatte Puppen erfunden, die sprechen und Kinder sogar trösten konnten. Diese Miniroboter verfügten über eine synthetische Stimme und ein Informatikprogramm, das ihnen erlaubte, auf das Geplauder der Kinder einzugehen, und er hoffte, daß eine ganze Generation auf diese Weise Streß harmlos abreagieren konnte.
»Krieg ist in erster Linie eine Folge falscher Erziehung. Ich hoffe, daß meine kleinen Puppen einen Beitrag zur richtigen Erziehung leisten können.«
Seine Frau Juliette war Briefträgerin, und eines Tages wurde sie von einem Hund angefallen, der ein Paket, das sie zustellen sollte, aufriß. Sie nahm es mit nach Hause, um Arthur bitten zu können, er wieder zuzukleben, aber als er ein Buch darin entdeckte, konnte er der Versuchung nicht widerstehen, es durchzublättern. Es war der zweite Band der Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens, und ein beigefügter Brief verriet, daß Edmond Wells dieses Werk seiner einzigen Tochter Laetitia vermacht hatte, an die das Paket auch gerichtet gewesen war. Fasziniert begannen Arthur und Juliette in dieser Enzyklopädie zu blättern, in der sehr viel von Ameisen die Rede war, die aber auch philosophische, soziologische und biologische Abhandlungen enthielt. In erster Linie ging es Edmond Wells aber offenbar um das Verständnis zwischen verschiedenen Zivilisationen und um den Platz des Menschen in Zeit und Raum.
Besonders begeistert war Arthur von Wells’ Idee gewesen, eine Maschine namens ›Stein von Rosette‹ zu konstruieren, um die olfaktorische Sprache der Ameisen in die menschliche Sprache übersetzen zu können und umgekehrt. Es war ihm tatsächlich gelungen, und er hatte mit den Insekten Dialoge geführt, speziell mit einer außergewöhnlichen Ameise, die Nr.
103 683 – abgekürzt Nr. 103 – hieß.
Unterstützt von Laetitia Wells, der Tochter des Professors, von Kommissar Jacques Méliès und Forschungsminister Raphaël Hisaud, hatte Arthur dem Präsidenten der Republik vorgeschlagen, eine Ameisenbotschaft zu eröffnen.
»Dann waren Sie es also, der ihm Wells’ Brief geschickt hat?« fragte Julie.
»Ja, ich brauchte ihn nur zu fotokopieren. Er stand in der Enzyklopädie.«
Das junge Mädchen mit den hellgrauen Augen hätte ihm erzählen können, daß dieses Schreiben bei mondänen Empfängen für hochrangige Ausländer vorgelesen wurde, um Heiterkeit zu erregen, aber sie wollte den alten Mann nicht kränken.
Arthur gab zu, daß der Präsident ihm nie geantwortet hatte und daß der Forschungsminister, der dem Projekt freundlich gegenüberstand, zum Rücktritt gezwungen worden war.
Trotzdem verwandte Arthur auch weiterhin seine ganze Kraft darauf, sein großes Ziel zu erreichen: die Schaffung einer Ameisen-Botschaft, damit die beiden großen Zivilisationen endlich zum beiderseitigen Wohl kooperieren könnten.
»Haben Sie dieses Versteck hier gebaut?« erkundigte sich Julie, um das Thema zu wechseln.
Er bejahte und fügte hinzu, wenn sie nur eine Woche früher gekommen wären, hätten sie von außen eine kleine Pyramide sehen können.
Von dem Vorraum führte eine Tür in einen großen runden Saal, der von einer Lichtkugel in drei Meter Höhe erhellt wurde. Eine schmale Glassäule führte von dieser Kugel zur überirdischen Pyramidenspitze, durch die Tageslicht einfallen konnte. Entlang der Wände standen Schreibtische, Computer und andere komplizierte Geräte.
»In diesem Saal befinden sich alle Apparaturen, die gemeinsam genutzt werden. Hinter den Türen, die Sie hier und dort sehen, liegen die Labors, wo meine Freunde in aller Ruhe an ihren jeweiligen Projekten
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