Die Revolution der Ameisen
als der unsrigen, und jeder Band beschreibt einen Schritt auf dem Weg zum Verständnis dieses so ganz Anderen. Erster Band, erste Etappe: Die Entdeckung der Existenz des Anderen und erste Kontakte. Zweiter Band, zweite Etappe: Die Konfrontation mit dem Anderen. Dritter Band, dritte Etappe: Wenn die Konfrontation für beide Seiten weder ein Sieg noch eine Niederlage war, ist es an der Zeit, zur Kooperation überzugehen.«
Er legte die drei Bände aufeinander.
»Kontakt, Konfrontation, Kooperation: Die Trilogie ist abgeschlossen, die Begegnung mit dem Anderen ist vollendet.
1 + 1 = 3 …«
»Sie sagten, Sie hätten den ›Stein von Rosette‹ gebaut, jene Maschine, die mit den Ameisen spricht. Ist das wirklich wahr?«
Arthur bejahte.
»Würden Sie mir den Apparat zeigen?«
Arthur erklärte sich nach kurzem Zögern dazu bereit. Julie rief ihre Freunde, und der alte Mann führte sie in ein Zimmer, dessen gedämpftes Licht auf Terrarien voller Blumen, Pflanzen oder Pilzen fiel. Und da stand auch der ›Stein von Rosette‹, so wie er in der Enzyklopädie beschrieben war.
Arthur schaltete einen Computer ein, der leise summte.
»Ist das der Computer mit ›demokratischer Anordnung‹, von dem in der Enzyklopädie die Rede ist?« fragte Francine.
Arthur nickte, sichtlich zufrieden, es mit Kennern zu tun zu haben. Julie erkannte den Massenspektrografen und den Chromatografen, aber anstatt die Geräte in Reihe zu schalten, wie sie es versucht hatte, waren sie bei Arthur parallel miteinander verbunden, so daß die Analyse und Synthese von Molekülen gleichzeitig vonstatten ging. Jetzt verstand Julie, warum ihre Apparatur nicht funktioniert hatte.
Arthur stellte die Geräte ein, griff behutsam nach einer Ameise und setzte sie in einen Kasten aus durchsichtigem Glas, an dem eine winzige Gabel aus Kunststoff befestigt war.
Instinktiv legte das Insekt seine Fühler an diese künstlichen Fühler. Arthur sprach langsam und deutlich in ein Mikrofon.
»Dialog zwischen Mensch und Ameise erwünscht.«
Er mußte den Satz mehrmals wiederholen, wobei er an verschiedenen Rädchen drehte. Die Gase, aus denen die Duftpheromone bestanden, wurden freigesetzt und vereinigten sich, bevor sie in die künstlichen Fühler gelangten. Gleich darauf gab die synthetische Stimme des Computers die Antwort der Ameise in Menschensprache wieder: »Einverstanden.«
»Guten Tag, Ameise Nr. 6142. Hier sind Leute meines Volkes, die dich sprechen hören wollen.«
» Was für Leute?« fragte Ameise Nr. 6142.
»Freunde, die nicht wissen, daß wir miteinander Dialoge führen können.«
»Was für Freunde?«
»Gäste.«
»Was für Gäste?«
Arthur begann die Geduld zu verlieren. Er gab zu, daß es sehr schwierig war, mit Insekten zu sprechen. Die Technik bereitete keine Probleme, aber über den Sinn konnte man sich oft nicht verständigen.
»Selbst wenn es einem gelingt, mit einem Tier zu sprechen, ist es gar nicht gesagt, daß man seine Äußerungen versteht.
Ameisen haben ein ganz anderes Wahrnehmungsvermögen als wir, und deshalb muß man alles möglichst einfach ausdrücken.
Um beispielsweise das Wort ›Tisch‹ zu erklären, muß man sagen: ›Holzplatte mit vier Beinen, die zum Essen dient.‹ Wir Menschen drücken uns oft sehr unklar aus, aber das bemerkt man erst, wenn man sich mit einer anderen intelligenten Spezies unterhält.«
Arthur führte aus, diese Nr. 6142 sei keineswegs eine besonders dumme Ameise. Es gebe welche, die nur Hilfe!
schreien würden, wenn er sie in den Kasten setzte.
»Das hängt ganz von den Individuen ab.«
Der alte Mann erzählte voller Nostalgie von Nr. 103, einer hochbegabten Ameise, die er einst gekannt hatte. Sie war nicht nur sehr schlagfertig, sondern begriff sogar einige typisch menschliche abstrakte Begriffe.
»Nr. 103 war der Marco Polo der Ameisen, und ihre geistige Aufgeschlossenheit war einfach unglaublich. Ihre Neugier war unerschöpflich, und sie hatte fast keine Vorurteile uns gegenüber«, erinnerte sich Jonathan Wells. »Und wissen Sie, wie sie uns nannte?« seufzte Arthur. »Die
›Finger‹, denn die Ameisen sehen von uns Menschen nur den Finger, der auf sie zukommt, um sie zu zerquetschen.«
»Welches Bild müssen sie sich von uns machen!« rief David erschrocken.
»Das Gute an Nr. 103 war, daß sie wissen wollte, ob wir wirklich Ungeheuer oder aber vielleicht doch ›sympathische Tiere‹ sind. Ich habe ihr einen winzigen Fernseher gebastelt, damit sie sich ein objektives Bild von
Weitere Kostenlose Bücher