Die Revolution der Ameisen
Menschen in aller Welt machen konnte.«
Julie versuchte sich den Schock für die Ameise vorzustellen.
Das war so, als würde man ihr Einblick in die Ameisenwelt unter den verschiedensten Aspekten gewähren. Die Kriege, der Handel, die Industrie, die Legenden …
Laetitia Wells holte ein Porträt dieser ungewöhnlichen Ameise. Die jungen Leute konnten zunächst nicht glauben, daß Ameisen sich äußerlich voneinander unterschieden, doch als sie das Bild lange genug betrachtet hatten, glaubten sie einige spezifische Merkmale im ›Gesicht‹ dieser Nr. 103 zu erkennen.
Arthur setzte sich. »Ein hübsches Profil, stimmt’s? Nr. 10\1 war viel zu abenteuerlustig, und sie war sich ihrer wichtigen Rolle viel zu sehr bewußt, als daß es ihr auf Dauer genügt hätte, im Fernsehen unsere dummen Witze zu hören und sich romantische Hollywoodfilme anzuschauen. Sie ist ausgerückt.«
»Und das nach allem, was wir für sie getan hatten!« sagte Laetitia empört. »Wir hielten sie für unsere Freundin, aber sie hat uns einfach verlassen.«
»Stimmt, wir fühlten uns anfangs ohne sie richtig verwaist«, fuhr Arthur fort, »aber dann haben wir nachgedacht. Ameisen sind freie Geschöpfe, und wir werden sie niemals zähmen können. Alle Geschöpfe auf unserem Planeten sind frei und haben die gleichen Rechte. Wir hatten kein Recht, Nr. 10\1 gefangenzuhalten.«
»Und wo ist sie jetzt, diese ungewöhnliche Ameise?« »Irgendwo in der weiten Natur … Sie hat uns sogar eine Botschaft hinterlassen.«
Arthur holte ein Ameisenei und brachte es in Kontakt mit den künstlichen Fühlern. Der Computer übersetzte den olfaktorischen Brief, so als wäre das Ei lebendig und würde das Wort an sie richten.
Liebe Finger!
Hier bin ich zu nichts nutze.
Ich kehre in den Wald zurück, um meinem Volk zu berichten, daß es euch gibt und daß ihr weder Ungeheuer noch Götter seid.
Zwischen euch und uns gibt es Parallelen.
Unsere beiden Zivilisationen müssen zusammenarbeiten, und ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um mein Volk zu überreden, Kontakt mit euch aufzunehmen. Versucht, das gleiche von eurer Seite aus zu bewerkstelligen.
Eure Nr. 103
»Wie gut sie unsere Sprache spricht!« staunte Julie.
»Es ist natürlich der Computer, der die Satzformulierungen arrangiert, aber eine Übersetzung bleibt notgedrungen immer hinter dem Original zurück«, seufzte Laetitia. »Während ihres Aufenthalts hat Nr. 103 sich große Mühe gegeben, die Regeln unserer gesprochenen Sprache zu verstehen. Sie hat alles begriffen, mit Ausnahme von drei Begriffen, mit denen sie nichts anfangen konnte.«
»Welche waren das?«
»Humor, Kunst und Liebe. Diese drei Begriffe sind für ein Wesen, das kein Mensch ist, sehr schwer zu verstehen. Wir haben ihr oft Witze erzählt, aber unser Humor ist viel zu
›menschlich‹. Wir hätten wissen sollen, ob es einen typisch
›ameisischen‹ Humor gibt. Vielleicht irgendwelche Geschichten über Maikäfer, die sich in Spinnennetzen verfangen, oder von Schmetterlingen, die losfliegen, wenn ihre Flügel noch feucht und zerknittert sind, und die deshalb abstürzen …«
»Ja, das ist ein großes Problem«, stimmte Arthur zu.
»Was könnte eine Ameise wohl zum Lachen bringen?«
Sie kehrten zum ›Stein von Rosette‹ zurück, wo immer noch Nr. 6142 saß.
»Seit der Flucht von Nr. 103 müssen wir uns eben mit dem begnügen, was wir haben.« Arthur fragte die Ameise im Glasbehälter: »Weißt du, was Humor ist?«
»Was für ein Humor?« fragte die Ameise zurück.
193. DER GROSSE MARSCH
Der Humor muß etwas ganz Außergewöhnliches sein.
Im warmen Biwak berichtet Nr. 103 wieder von der Welt der Riesen, die sie bald treffen würden. Alle Teilnehmer des großen Marsches hängen als riesige lebendige Kugel an einem Ast, von unten von der Glut gewärmt.
»Dieser Humor löst bei den Fingern Krämpfe aus, wenn sie Geschichten vom Eskimo auf der Eisbahn oder von der Fliege, der man die Flügel ausreißt, hören.«
Die wenigen anwesenden Fliegen sind begreiflicherweise nicht gerade erfreut.
Die Prinzessin bemerkt an den Gerüchen, daß der Humor ihre Zuhörer nicht interessiert und wechselt das Thema. Sie erklärt, die Finger hätten keine harten Panzer zum Schutz ihres Organismus und seien deshalb empfindlicher als Ameisen.
Während eine Ameise in der Lage ist, das Sechzigfache ihres Gewichts zu tragen, kann ein Finger höchstens ein Gewicht heben, das dem seinen gleichkommt. Und während eine Ameise
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