Die Revolution der Ameisen
bellte Befehle in sein Walkie-Talkie. Ein Lastwagen brachte Material zum Ausschachten. Männer mit Preßlufthämmern rückten an.
Jonathan und Laetitia holten einen zweiten Koffer mit der Aufschrift ›Kampf‹. Weitere fliegende Ameisen wurden losgeschickt, diesmal mit dem Auftrag zu stechen, auch sie ferngesteuert von Bewohnern der Pyramide. Arthur konnte sich zu seinem Leidwesen nicht daran beteiligen, weil seine Hände zu stark zitterten.
Pickel und Schaufeln griffen den Hügel an. Noch dämpfte die Erdschicht die Erschütterung, aber alle wußten, daß die Werkzeuge bald auf den Beton der Pyramide stoßen würden.
Eine geschickt gesteuerte Kampfameise landete auf dem Hals eines Polizisten und verabreichte ihm ein Betäubungsmittel.
Der Mann wurde sofort ohnmächtig.
Der Kommissar brüllte neue Befehle in sein Walkie-Talkie, und kurz darauf brachte ein Transporter Schutzkleidung für Imker, die alle Polizisten rasch anzogen. Nun vermochten ihnen die Kampfameisen nichts mehr anzuhaben, und andere Waffen besaßen die Pyramidenbewohner nicht. Sie tauschten ratlose Blicke.
»Wir sind erledigt«, prophezeite Arthur.
Der Stahl eines Bohrers wühlte im Beton, ließ die Pyramide erbeben und beschleunigte den Herzschlag.
Plötzlich hörte das Hämmern auf. Die Polizisten legten Dynamitstangen in die Löcher. Maximilien hatte an alles gedacht. Mit dem Detonator in der Hand zählte er rasch rückwärts:
»Sechs, fünf, vier, drei, zwei, eins …«
206. ENZYKLOPÄDIE
Null: Spuren der Null findet man in chinesischen Rechnungen des zweiten Jahrhunderts n. Chr. (durch einen Punkt markiert) und noch früher bei den Maya (durch eine Spirale markiert), aber unsere Null stammt aus Indien. Im siebenten Jahrhundert haben die Perser sie von den Indern übernommen, und einige Jahrhunderte später schrieben die Araber sie bei den Persern ab und gaben ihr den heutigen Namen. In Europa wird die Null aber erst im 13. Jahrhundert bekannt, durch Leonardo Fibonacci (wahrscheinlich eine Abkürzung von: Figlio di Bonacci – Sohn von Bonacci), genannt Leonardo von Pisa, der aber nicht aus Pisa, sondern aus Venedig stammte und ein erfolgreicher Kaufmann war.
Als Fibonacci seinen Zeitgenossen die Bedeutung der Null klarzumachen versuchte, befand die Kirche, daß diese Zahl vieles ins Wanken bringe. Einige Inquisitoren erklärten sie sogar für diabolisch. Hinter eine Zahl gesetzt, erhöhte sie zwar deren Wert, doch jede Zahl, die man mit der Null multi-plizierte, endete als Null.
Man sagte, die Null sei der große Vernichter, weil sie alles, was sich ihr nähere, in Null verwandle. Hingegen wurde die Eins ›große Respektvolle‹ genannt, weil sie eine Zahl, die mit ihr multipliziert wird, unangetastet läßt. Null multipliziert mit fünf ist null, eins multipliziert mit fünf ist fünf.
Trotzdem legte sich die Aufregung ziemlich schnell, denn die Kirche begriff die materiellen Vorteile der Null rasch.
EDMOND WELLS,
Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens, Band III
207. DIE GROSSE WALLFAHRT
Prinzessin Nr. 103 erkennt den Weg wieder. Bald werden sie den Menschenbau, aus dem sie entflohen ist, erreicht haben.
Die Große Begegnung ist nicht mehr fern.
Ihre jungen Kundschafterinnen warnen den hinteren Teil der endlos langen Prozession, daß die vorderen Reihen wahrscheinlich bald langsamer marschieren oder gar stehenbleiben werden. Diese Vorwarnung ist dringend notwendig, um zu verhindern, daß unzählige Ameisen totgetrampelt werden. Die Prinzessin betrachtet die Landschaft und wundert sich.
Der Bau ist nicht mehr zu sehen. Statt dessen ragt dort jetzt ein Hügel empor, auf dem ein schreckliches Durcheinander herrscht. Es riecht sehr stark nach Fingern. Zuletzt hat sie einen solchen Tumult erlebt, als sie die Finger bei einem sogenannten
›Picknick‹ störte, nur weil sie sich auf eine Decke verirrt hatte.
208. GEDÄCHTNISPHEROMON: MAHLZEITEN
Registratorin Nr. 10 MAHLZEITEN:
Die Finger sind die einzigen Tiere, die nach einem festgelegten Rhythmus essen.
Während man in der ganzen Tierwelt ißt, wenn man entweder Hunger hat oder zufällig Nahrung erblickt und schnell genug laufen kann, um sie zu erlegen, ißt man bei den Fingern dreimal am Tag, egal ob man Hunger hat oder nicht.
Dieses System von drei Mahlzeiten am Tag ermöglicht es den Fingern, ihre Tage in zwei Teile zu teilen.
Die erste Mahlzeit wird am Morgen eingenommen, die zweite beendet den Morgen und leitet zum Nachmittag über,
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