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Die Revolution der Ameisen

Die Revolution der Ameisen

Titel: Die Revolution der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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und die dritte beendet den Nachmittag und bereitet auf den Schlaf vor.

209. GUTEN TAG
    Sie sind hier. Die Finger sind hier. Und die starken Gerüche, die Prinzessin Nr. 103 wahrnimmt, verraten ihr, daß es viele Finger sind.
    Begrüßungsmolekül.
    Alle Insekten übermitteln den Fingern ein Pheromon. Diese Duftsignale haben nichts Aggressives, nichts Prahlerisches an sich. Wir grüßen alle anwesenden Finger.
    Begeistert darüber, daß es nun endlich zur Großen Begegnung kommt, klettern sie an den riesigen warmen Tieren empor, die so starke Gerüche verströmen, und dabei senden sie ihnen die herzlichsten Pheromone, die es überhaupt gibt. Die Prinzessin hat ihnen schließlich oft genug erklärt, daß Finger Wert darauf legen, respektvoll behandelt zu werden.
    Wir grüßen alle anwesenden Finger.
     

210. ENZYKLOPÄDIE
     
    Utopie von Sabbatai Zwi: Nach tausend Berechnungen und esoterischen Auslegungen der Bibel und des Talmud sagten die großen kabbalistischen Gelehrten Polens das Erscheinen des Messias für das Jahr 1666 voraus.
    Die Moral des jüdischen Volkes in Osteuropa war damals auf einem Tiefpunkt angelangt. Einige Jahre zuvor hatte sich der Kosakenhetman Bogdan Chmielnitzki an die Spitze einer Bauernarmee gestellt, die der Herrschaft der polnischen Adligen ein Ende bereiten sollte. Weil die Aristokraten sich in ihren Schlössern verschanzten, ließ die Horde ihre Wut an den kleinen jüdischen Gemeinden aus, die ihren Lehnsherren angeblich treu ergeben waren. Es kam zu einem Massaker sondergleichen, und als einige Wochen später die Polen blutige Vergeltung übten, wüteten auch sie in den jüdischen Dörfern, und es gab wieder Tausende von Toten. »Das ist das Zeichen für die letzte Schlacht von Armageddon«, sagten die Kabbalisten. »Das ist das Vorspiel zur Ankunft des Messias.«
    Diesen Zeitpunkt wählte Sabbatai Zwi, ein sanfter junger Mann mit verträumten Augen, um sich als Messias zu proklamieren. Er war ein guter Redner, er wirkte beruhigend und brachte die Menschen zum Träumen. Bald wurde behauptet, er hätte schon viele Wunder vollbracht, und innerhalb kurzer Zeit war er Ursache eines großen religiösen Eifers in den jüdischen Gemeinden Osteuropas.
    Viele Rabbiner warnten allerdings vor diesem Usurpator und
    ›falschen König‹. Zwischen Anhängern und Gegnern von Sabbatai Zwi gab es heftige Auseinandersetzungen; sogar Familien entzweiten sich seinetwegen. Hunderte von Menschen beschlossen jedoch, ihre Heimat zu verlassen und diesem neuen Messias ins Heilige Land zu folgen, wo er eine utopische Gemeinschaft gründen wollte. Das ging nicht lange gut. Eines Abends wurde Sabbatai Zwi von Spionen des türkischen Sultans entführt. Vor die Wahl gestellt, entweder hingerichtet zu werden oder zum Islam überzutreten, konvertierte er. Seine treuesten Anhänger folgten seinem Beispiel, während die anderen ihn möglichst schnell vergaßen.
    EDMOND WELLS,
    Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens, Band III

211. DIE ARMEE DER HEINZELMÄNNCHEN
     
    Ein Schrei. Beim Anblick dieser wimmelnden Masse, die allem Anschein nach einen Sturmangriff plant, fällt ein Polizist in Ohnmacht. Insgesamt waren zwanzig Männer auf dem Hügel beschäftigt gewesen. Drei sterben sofort an Herzinfarkt.
    Die anderen ergreifen die Flucht.
    Auf den drei regungslosen Körpern der Finger senden Kundschafterinnen höfliche Begrüßungspheromone aus und begreifen nicht, daß sie keine Antwort erhalten. Prinzessin Nr.
    103 hat ihnen doch erzählt, manche Finger könnten die olfaktorische Sprache der Ameisen verstehen.
     
    »Was ist das denn?« ruft Julie entsetzt, als sie auf dem Videobildschirm die wimmelnde Masse sieht.
     
    Prinzessin Nr. 103 sieht, wie überall um sie herum Ameisen auf die Finger klettern und ihnen Begrüßungsmoleküle entbieten, und plötzlich wird ihr klar, daß sie diese Massenbewegung zwar ins Leben gerufen hat, nun aber völlig die Kontrolle zu verlieren droht.
    Sie bittet alle, sich wieder zu beruhigen. Beim Anblick vieler Ameisen würden die Finger leicht erschrecken. Sie seien im Grunde sehr schüchtern.
    Die zwölf jungen Kundschafterinnen galoppieren an der ganzen Kolonne entlang, um alle aufzufordern, Distanz von den Fingern zu halten.
    Vorne steigen trotzdem etliche Ameisen auf die drei liegenden Finger und erkunden diese warmen Gebirge, die sich seltsamerweise nicht mehr bewegen.
    Tausende von Pilgern werden vermißt: Die flüchtenden Finger, auf die sie geklettert waren, haben sie

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