Die Revolution der Ameisen
einfach mit sich weggetragen.
Prinzessin Nr. 103 ruft alle gebieterisch zur Ordnung. In diesem wichtigen Augenblick komme es vor allem darauf an, nicht den Kopf zu verlieren. Außerdem verbietet sie ihren Truppen, an den Fingern zu knabbern oder sie mit Säure zu besprühen.
Als die Ruhe wiederhergestellt ist, inspiziert sie den Hügel.
Sie irrt lange zwischen dem Farnkraut umher, doch schließlich findet sie den Belüftungsschacht, durch den sie aus dem Bau der Finger geflüchtet ist.
Dann steigt sie auf einen Felsen und spricht zu der Menge.
Dieser Hügel sei der Bau jener seltenen Finger, die die olfaktorische Sprache der Ameisen verstünden. Sie werde erst allein zu ihnen hinabsteigen und sich mit ihnen unterhalten und anschließend der ganzen Pilgerschar Bericht erstatten.
Bis zu ihrer Rückkehr überträgt sie die Verantwortung dem Prinzen Nr. 24 und den zwölf jungen Kundschafterinnen.
Während die ferngesteuerten Ameisen den wimmelnden schwarzen Teppich auf dem Hügel filmten, hörte man ein leises Kratzen an einem Belüftungsgitter. Arthur ging nachschauen und sah eine mittelgroße Ameise mit kleinen Fühlern, die einen Zweig in den Mandibeln hatte, um lauter klopfen zu können.
Sie wurde eingelassen, und als Arthur die gelbe Markierung auf ihrer Stirn sah, strahlte er übers ganze Gesicht.
Nr. 103.
Nr. 103 war zurückgekommen!
»Guten Tag, Nr. 103«, sagte er gerührt. »Du hast also dein Versprechen gehalten und bist zurückgekommen.«
Die rote Ameise verstand zwar nicht, was er sagte, nahm aber seinen vertrauten Mundgeruch wahr und bewegte freudig ihre Fühler.
»Und du hast jetzt Flügel!« staunte Arthur. »Ah, wir haben uns bestimmt sehr viel zu erzählen!«
Er nahm Nr. 103 vorsichtig zwischen seine Finger und trug sie zum ›Stein von Rosette‹.
Alle Pyramidenbewohner scharten sich um das Gerät, und Nr, 103 legte wie früher ihre Fühler auf die kleine Gabel vor dem Glas.
»Guten Tag, Nr. 103.«
»Guten Tag, Arthur!« antwortete die synthetische Computerstimme.
Arthur warf den anderen einen hastigen Blick zu und bat sie, an die Bildschirme zurückzukehren, weil er allein mit seiner Freundin sprechen wolle. Alle verstanden, daß der alte Mann glücklich über das Wiedersehen war, und entfernten sich.
Um ganz sicher zu sein, daß nur er allein seine Freundin hören würde, setzte Arthur Kopfhörer auf, und dann führten sie ein sehr vertrauliches Gespräch.
212. ENZYKLOPÄDIE
Unsere verschiedenen Alliierten: Die Geschichte kennt viele Fälle militärischer Kollaboration zwischen Mensch und Tier.
Allerdings wurden die Tiere nie gefragt, ob sie damit einverstanden sind.
Im Zweiten Weltkrieg dressierten die Sowjets Hunde, die sich – mit einer Mine am Körper – unter feindliche Panzer schieben und diese zur Explosion bringen sollten. Das klappte aber nicht besonders gut, weil die Hunde es meistens eilig hatten, zu ihren Herren zurückzukehren.
Im Jahre 1943 wollte Dr. Louis Feiser gegen japanische Schiffe Fledermäuse einsetzen, die mit winzigen Brandbomben bestückt sein sollten. Das wäre die Antwort auf die Kamikaze-Kämpfer gewesen, doch nach Hiroshima waren diese Waffen veraltet.
Die Briten hatten 1944 die Idee, Katzen als Piloten kleiner Flugzeuge mit Bomben an Bord einzusetzen. Man dachte, die Katzen würden aus Angst vor dem Wasser alles tun, um ihre Maschinen auf einem Flugzeugträger landen zu lassen. Das Projekt scheiterte.
Im Vietnamkrieg versuchten die Amerikaner, Tauben und Aasgeier als Bombenträger gegen die Vietkong einzusetzen, aber auch das klappte nicht.
Die Menschen wollten Tiere aber nicht nur als Soldaten, sondern auch als Spione verwenden. Im Kalten Krieg führte das CIA Experimente mit Küchenschaben durch: Man hatte vor, Personen, die beschattet werden sollten, mit Hormonen weiblicher Küchenschaben zu markieren, denn dieses Peripalon B übt auf männliche Küchenschaben eine so erregende Wirkung aus, daß sie dem Geruch über Kilometer hinweg folgen.
EDMOND WELLS,
Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens, Band III
213. KLARSTELLUNG
Niemand erfuhr etwas über den Inhalt des Gesprächs zwischen Arthur und Prinzessin Nr. 103. Wahrscheinlich erklärte die Ameise ihm, warum sie aus seinem Labor geflohen war, und wahrscheinlich bat Arthur sie, mit ihren Truppen hierzubleiben, um die Pyramide auch beim nächsten Angriff der Finger zu verteidigen. Zweifellos fragte Nr. 103 auch, wie es um das Projekt einer Kooperation zwischen den
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