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Die Revolution der Ameisen

Die Revolution der Ameisen

Titel: Die Revolution der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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den Rinnstein.
    Julie trat dem Jungen, der sie festhielt, so kräftig vors Schienbein, daß er sie losließ. Es gelang ihr gerade noch, das Buch an sich zu reißen, bevor es in den Gully rutschen konnte.
    Doch schon im nächsten Moment stürzten sich die drei Jungen wieder auf sie. Sie schlug mit den Fäusten nach ihnen und hätte ihnen liebend gern die Gesichter zerkratzt, doch bedauerlicherweise hatte sie alle Fingernägel abgebissen. Statt dessen grub sie ihre Schneidezähne in Gonzagues Wange. Blut floß.
    »Die Furie hat mich gebissen!« schrie er. »Laßt sie ja nicht los! Fesselt sie!«
    Julie wurde mit Taschentüchern an eine Straßenlaterne gebunden.
    »Das wirst du mir büßen«, knurrte Gonzague, während er sich die blutende Wange rieb. Er zog ein Schnappmesser aus der Tasche und ließ die Klinge hervorspringen.
    Julie spuckte ihm ins Gesicht.
    »Haltet sie gut fest, Jungs. Ich werde ihr einige geometrische Symbole in die Haut ritzen, damit sie in Mathe endlich besser mitkommt.«
    Genüßlich schlitzte er zunächst Julies langen schwarzen Rock auf, schnitt ein Stück Stoff heraus und schob es in seine Tasche. Unerträglich langsam glitt die Klinge höher.
    Auch die Stimme kann sich in eine Waffe verwandeln, die Schmerz zufügt, hatte Jankelewitsch ihr beigebracht.
    »IIIAAAHIIIAAHHH …«
    Ihr gellender Schrei schwoll derart an, daß Fensterscheiben klirrten. Die Jungen hielten sich die Ohren zu.
    »Wir werden sie knebeln müssen, um in Ruhe arbeiten zu können«, fiel einem ein. Ein seidenes Halstuch wurde ihr in den Mund gestopft. Julie keuchte verzweifelt.
    Der Nachmittag neigte sich dem Ende zu. Die Straßenbeleuchtung schaltete sich dank ihrer Fotozelle, die das Nachlassen des Tageslichts registrierte, automatisch ein, aber das Licht störte die drei Störenfriede nicht. Gonzagues Messer war bis zu Julies Knien hochgeglitten, und nun ritzte er eine horizontale Linie in ihre zarte Haut.
    »Das war für den Schlag gegen die Nase!«
    Eine vertikale Linie folgte, so daß ein Kreuz entstand. »Das war für den Tritt in den Unterleib!«
    Ein dritter Schnitt, wieder vertikal. »Für den Biß in die Wange! Und das war erst der Anfang …«
    Die Klinge glitt langsam noch höher.
    »Ich werde dich häuten wie den Frosch im Biologieunterricht«, kündigte Gonzague an. »Davon verstehe ich etwas. Schließlich habe ich eine Eins bekommen. Erinnerst du dich daran? Nein, wahrscheinlich nicht. Schlechte Schüler verlassen den Unterricht ja gern vorzeitig.«
    Julie war einer Ohnmacht nahe. In der Enzyklopädie hatte sie gelesen, daß man sich im Falle einer Gefahr, der man nicht entrinnen konnte, eine Sphäre über seinem Kopf vorstellen solle, in die man sich dann nach und nach zurückziehen könne, bis der Körper nur noch eine leere, geistlose Hülle wäre.
    Eine schöne Theorie, die man sich leicht vorstellen konnte, wenn man gemütlich in einem Sessel saß, die sich aber schwer in die Tat umsetzen ließ, wenn man an eine Metallstange gefesselt war und gequält wurde.
    Erregt vom Anblick dieses hübschen wehrlosen Mädchens, streichelte der größte der drei Burschen schwer atmend Julies langes seidiges Haar und berührte mit zittrigen Fingern den zarten weißen Hals.
    Julie bäumte sich in ihren Fesseln auf. Sie konnte den Kontakt mit jedem Gegenstand – sogar mit einer Messerklinge – ertragen, doch sobald ein Mensch sie berührte, geriet sie völlig außer sich. Ihre Augen verdrehten sich, sie wurde purpurrot im Gesicht, zitterte am ganzen Leib und schnaubte.
    Der Dicke wich zurück. Die Klinge hielt auf ihrem Weg nach oben inne.
    »Sie hat einen Asthmaanfall«, erklärte der größte Junge, der so etwas schon einmal gesehen hatte.
    Erschrocken traten sie weiter zurück. Ihr Opfer leiden zu sehen, machte keinen Spaß, wenn nicht sie selbst ihm den Schmerz zugefügt hatten. Julie verfärbte sich violett und zerrte so heftig an ihren Fesseln, daß sie sich die Haut aufschürfte.
    »Laßt sie in Ruhe!« rief plötzlich eine Stimme.
    Ein langer Schatten mit drei Beinen fiel auf das Pflaster der Sackgasse. Die Burschen drehten sich um und erkannten David, einen der Sieben Zwerge. Das dritte Bein war seine Krücke, die er seit einer Kinderlähmung zum Gehen brauchte.
    »Nanu, David, hältst du dich plötzlich für Goliath?« höhnte Gonzague. »Tut mir leid, mein Lieber, aber wir sind zu dritt, und du bist allein, ziemlich klein und nicht gerade ein Muskelprotz.«
    Die drei lachten schallend. Aber nicht

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