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Die Revolution der Ameisen

Die Revolution der Ameisen

Titel: Die Revolution der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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wer bist du?«
    Julie zögerte nur kurz. »Ich bin natürlich Schneewittchen.«
    »Seit wann trägt Schneewittchen denn Schwarz?« grinste Narcisse.
    »Mein Vater ist vor kurzem gestorben. Er war Direktor der Rechtsabteilung des Forstamts.«
    »Na und?«
    »Schwarz ist nun einmal die Trauerfarbe«, murmelte sie eigensinnig.
    »Wartest du vielleicht wie das Schneewittchen im Märchen darauf, daß ein schöner Prinz dich mit einem Kuß aufweckt?«
    fragte Paul.
    »Du verwechselst Schneewittchen mit Dornröschen«, konterte Julie.
    »Paul, du hast dich wieder einmal blamiert«, lachte Narcisse.
    »Keineswegs, denn in allen Märchen gibt es ein Mädchen, das schlafend auf den Geliebten wartet …«
    »Sollen wir nicht noch ein bißchen singen?« schlug Julie vor, die allmählich Geschmack an der Sache fand.
    Sie wählten immer schwierigere Stücke aus. ›And You and I‹
    von Yes, ›The Wall‹ von Fink Floyd und zuletzt ›Super’s Ready‹ von Genesis, das zwanzig Minuten dauerte und jeden als Solisten zur Geltung kommen ließ.
    Trotz der verschiedenen Stilrichtungen gelang es Julie, bei jedem Stück interessante Effekte zu erzielen. Endlich beschlossen sie, nach Hause zu gehen.
    »Ich habe mich mit meiner Mutter gestritten«, gestand Julie kleinlaut. »Könnte ich vielleicht bei einem von euch übernachten?«
    »David, Zoé, Léopold und Ji-woong sind Internatsschüler und wohnen hier im Gymnasium«, sagte Paul. »Aber Francine, Narcisse und ich sind Externe. Wenn du willst, können wir dich abwechselnd beherbergen. Heute nacht kannst du bei mir schlafen, wir haben ein Gästezimmer.« Francine sah, daß Julie von der Vorstellung, bei einem Jungen zu übernachten, nicht begeistert war, und schlug deshalb vor, sie könne auch bei ihr schlafen. Dieses Angebot nahm Julie dankbar an.
     

50. ENZYKLOPÄDIE
     
    Die Macht der Vokale: In vielen alten Sprachen – Ägyptisch, Hebräisch, Phönizisch – gab es keine geschriebenen Vokale, sondern nur Konsonanten. Vokale repräsentieren die Stimme, und wenn man dem Wort durch grafische Darstellung eine Stimme verleiht, bekommt es zuviel Macht, weil es lebendig wird.
    Ein Sprichwort sagt: »Wenn du das Wort ›Kleiderschrank‹
    perfekt schreiben könntest, würde dieses Möbelstück dir auf den Kopf fallen.«
    Die Chinesen hatten die gleiche Befürchtung. Im zweiten Jahrhundert n. Chr. wurde Wu Daozi, der größte Maler seiner Zeit, vom Kaiser beauftragt, einen lebensgetreuen Drachen zu malen. Der Künstler tat das auch, gab dem Drachen aber keine Augen. »Warum hast du die Augen weggelassen?« fragte der Kaiser. »Weil er sonst davonfliegen würde«, erwiderte Wu Daozi. Der Kaiser gab nicht nach, der Künstler malte Augen, und der Legende zufolge flog der Drache wirklich davon.
    EDMOND WELLS,
    Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens, Band III

51. ABGESANDTE DER WOLKEN
    Nr. 103 und ihre jungen Gefährtinnen kämpfen seit einigen Minuten gegen die Heuschrecken. Ihr Vorrat an Ameisensäure ist fast erschöpft, und ihnen bleibt keine andere Wahl als sich mit den Mandibeln zu verteidigen, was noch viel mühsamer ist.
    Die Heuschrecken leisten keinen Widerstand. Bedrohlich sind sie nur aufgrund ihrer Vielzahl, denn immer noch hagelt es ausgehungerte Heuschrecken vom Himmel.
    So weit das Auge reicht, ist die Erde mit diesen Insekten bedeckt. Nr. 103 setzt ihre Mandibel wie eine Mähmaschine ein. Sie hat nicht unzählige Abenteuer überlebt, nur um jetzt vor diesen Heuschrecken zu kapitulieren, die nur eines können: massenhaft Kinder in die Welt setzen!
    Die Finger, so fällt ihr ein, haben eine effektive Methode entwickelt, um Überbevölkerung zu vermeiden: Die Weibchen schlucken Hormone in Form von Pillen, um weniger fruchtbar zu sein. Solche Pillen müßte es auch für diese Heuschrecken geben. Welchen Sinn hatte es, zwanzig Kinder zur Welt zu bringen, wenn man nur eines oder zwei benötigte? Einer so zahlreichen Nachkommenschaft konnte man ja doch keine ausreichende Pflege und Erziehung zuteil werden lassen, und die Kinder mußten notgedrungen ein Parasitendasein führen.
    Nr. 103 will sich dieser Diktatur nicht beugen. Ihre Mandibel sind vom Niedermetzeln der Heuschrecken schon ganz verkrampft.
    Ein Sonnenstrahl durchdringt plötzlich die dunkle Wolke und fällt auf einen Heidelbeerstrauch. Das ist ein Zeichen. Nr. 10\1 beeilt sich, mit ihren jungen Anhängerinnen auf diesen Strauch zu klettern und sich an den Beeren zu stärken.
    Flucht ist die einzige

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