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Die Revolution der Ameisen

Die Revolution der Ameisen

Titel: Die Revolution der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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Entscheidung erkennen konnte.
    »Der Gott eines Volkes zu sein, ist keine einfache Aufgabe, auch wenn es sich nur um eine künstliche Welt handelt«, betonte Francine. »Wenn ich mich in dieses Spiel vertiefe, verstehe ich unsere eigene Vergangenheit besser und glaube auch unsere Zukunft voraussagen zu können. Beispielsweise habe ich begriffen, daß bei der Evolution eines Volkes eine erste Phase von Despotismus notwendig ist. Erschafft man sofort einen demokratischen Staat, kommt es eben später zum Despotismus. Das ist so ähnlich wie beim Autofahren: Man muß langsam vom ersten in den zweiten und dritten Gang schalten. Startet man im dritten, würgt man den Motor ab.
    Genauso verfahre ich bei meinen Völkern. Eine lange Phase Despotismus, gefolgt von einer Phase der Monarchie, und erst wenn das Volk reif genug ist, um Verantwortung zu übernehmen, lockere ich die Zügel und beschere ihm die Demokratie, die es dann auch zu schätzen weiß. Demokratische Staaten sind jedoch sehr labil, das wirst du beim Spielen selbst feststellen.«
    »Glaubst du nicht, daß auch wir von jemandem manipuliert werden, der genauso mit uns spielt, wie du es mit deinen künstlichen Welten machst?« wollte Julie wissen. Francine lachte. »Ein Gott, meinst du? Ja, vielleicht. Ich halte das sogar für sehr wahrscheinlich. Das Problem besteht darin, daß Gott, wenn es ihn denn gibt, uns den freien Willen läßt.
    Anstatt uns Anweisungen zu geben, wie ich es bei meinen Völkern in Evolution mache, gibt er uns die Möglichkeit, auf eigene Faust herumzuexperimentieren. Meiner Meinung nach ist das unverantwortlich.«
    »Vielleicht tut er das absichtlich. Er hat uns den freien Willen geschenkt und greift nicht einmal dann ein, wenn wir die größten Dummheiten machen.«
    Francine überlegte. »Ich glaube, du hast recht. Vielleicht hat er uns den freien Willen aus Neugier geschenkt, weil er sehen wollte, was wir damit anfangen.«
    »Könnte es nicht auch sein, daß er gar keine gehorsamen Untertanen wollte, deren Unterwürfigkeit ihn nur gelangweilt hätte? Möglicherweise hat er uns diese unbegrenzte Freiheit aus Liebe geschenkt. Der freie Wille ist doch der größte Liebesbeweis, den ein Gott seinem Volk erzeigen kann.«
    »In diesem Fall ist es ein Jammer, daß wir nicht vernünftig damit umzugehen wissen, weil es uns an Nächstenliebe mangelt.«
    Francine zog es im Augenblick jedenfalls vor, ihren Untertanen Anweisungen zu geben. Das Volk auf dem Bildschirm sollte agronomische Forschung betreiben, um die Getreidequalität zu verbessern.
    »Ich helfe meinen Leuten, Entdeckungen zu machen. Die Informatik ermöglicht uns endlich einen harmlosen Größenwahn. Ich bin eine richtungweisende Göttin.«
    Eine Stunde lang amüsierten sie sich damit, ein virtuelles Volk zu beobachten und zu lenken. Julie rieb sich die Augen.
    Normalerweise löst jeder Wimpernschlag alle fünf Sekunden einen sieben Mikrometer dünnen Tränenfilm aus, um die Hornhaut zu befeuchten und zu säubern. Das lange Starren in den Bildschirm trocknete ihre Augen aus, und sie wandte ihren Blick von der künstlichen Welt ab.
    »Als junge Göttin verlange ich eine Ruhepause«, sagte sie.
    »Eine Welt zu überwachen, schadet den Augen. Ich bin sicher, daß sogar unser Gott nicht 24 Stunden am Tag unsere Welt beobachtet – es sei denn, er hat eine hervorragende Brille!«
    Francine schaltete den Computer aus und rieb sich ebenfalls die Lider.
    »Und du, Julie? Hast du irgendeine Leidenschaft, außer dem Singen?«
    »Ich besitze etwas viel Besseres als deine Computer. Es paßt in jede Tasche, wiegt viel weniger, enthält Millionen Informationen und hat nie eine Panne.«
    »Ein Supercomputer?« fragte Francine interessiert, während sie ihre ausgetrocknete Hornhaut mit Augentropfen beträufelte.
    Julie lächelte. »Ich sagte doch: ›besser als deine Computer‹.
    Es schadet auch den Augen viel weniger.«
    Sie holte den dicken dritten Band der Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens aus ihrem Rucksack hervor.
    »Ein Buch?« staunte Francine.
    »Nicht irgendein Buch. Ich habe es in einer Höhle im Wald gefunden. Es wurde von einem weisen alten Mann geschrieben, der zweifellos die ganze Welt bereist hat, um das gesamte Wissen aller Länder und Zeiten auf allen möglichen Fachgebieten zu sammeln.«
    »Du übertreibst.«
    »Gut, ich gebe zu, daß ich nicht beurteilen kann, ob alles stimmt, was er schreibt – aber lies selbst mal. Du wirst überrascht sein.«
    Sie blätterten

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