Die Revolution der Ameisen
zusammen. Sie wissen intuitiv, daß dieser Heuschreckenschwarm ihnen den Garaus machen wird.
Die dreizehn Ameisen bilden einen Kreis und richten ihre Hinterleiber nach oben, um jederzeit schießen zu können.
Jetzt ist es soweit! Die ersten Heuschrecken landen ungeschickt auf der Erde, und gleich darauf sind sie schon am Fressen. Sobald ein Weibchen aufsetzt, wird es sofort bestürmt, und gleich nach der Paarung beginnen die Weibchen, Eier in die Erde zu legen. Diese erschreckende Fruchtbarkeit ist die beste Waffe der Heuschrecken, viel mächtiger als Ameisensäure und sogar noch mächtiger als die rosa Kegel der Finger.
48. ENZYKLOPÄDIE
Definition des Menschen: Ist ein sechs Monate alter Fötus mit voll entwickelten Gliedmaßen schon ein Mensch? Und wenn ja – ist auch ein drei Monate alter Fötus ein Mensch? Ist ein soeben befruchtetes Ei ein Mensch?
Ist ein Kranker im Koma, der seit sechs Jahren sein Bewußtsein nicht zurückerlangt hat, dessen Herz jedoch schlägt und dessen Lungen atmen, noch ein Mensch?
Ist ein menschliches Gehirn, das in einer Nährlösung aufbewahrt wird, ein Mensch?
Kann ein Computer, der alle Mechanismen des menschlichen Gehirns zu reproduzieren vermag, als Mensch bezeichnet werden?
Ist ein Roboter, der äußerlich einem Menschen ähnlich sieht und ein ähnliches Gehirn wie dieser hat, ein Mensch?
Ist ein geklontes Geschöpf, das durch Genmanipulation geschaffen wurde, um bei eventuellen Insuffizienzen seines Zwillingsbruders als Organspender dienen zu können, ein Mensch?
Nichts ist sonnenklar. In der Antike und bis ins Mittelalter hinein wurden Frauen, Ausländer und Sklaven nicht als Menschen eingestuft. Normalerweise entscheidet allein der Gesetzgeber darüber, wer ein Mensch ist und wer nicht. Man müßte ihm unbedingt Biologen, Philosophen, Informatiker, Genforscher, Theologen, Dichter und Physiker an die Seite stellen, denn in Zukunft wird es immer schwerer sein, eindeutig zu definieren, was ein ›Mensch‹ ist.
EDMOND WELLS,
Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens, Band III
49. ÜBERGANG ZUR ROCKMUSIK
Vor der schweren Eichentür am Hintereingang des Gymnasiums stellte Julie ihren Rucksack ab und holte den selbstgebauten Molotowcocktail hervor. Ihr Feuerzeug produzierte nur Funken, aber keine Flamme, weil der Feuerstein abgenutzt war. Sie wühlte im Rucksack herum und fand schließlich eine Schachtel Streichhölzer. Nichts würde sie daran hindern, ihren Molotowcocktail gegen die Tür zu schleudern. Fasziniert betrachtete sie die kleine orangefarbene Flamme des Streichholzes, die gleich eine Explosion bewirken sollte.
»Ah, Julie, du bist also doch gekommen!«
Sie versteckte die Brandbombe hastig hinter dem Türpfosten.
Welcher Störenfried war das nun schon wieder? Natürlich David.
»Du hast also beschlossen, dir unsere Musikgruppe einmal anzuhören?« fragte er.
»So ist es.«
»Dann komm mit.«
David führte sie in den kleinen Raum unter der Cafeteria, wo die Sieben Zwerge probten. Einige stimmten schon ihre Instrumente.
»Na, so was, wir bekommen ja Besuch!« rief Francine.
Julie schaute sich um. An den Wänden hingen Fotos der Gruppe, die bei Geburtstagsfeiern und Tanzfeiern musizierte.
Ji-woong schloß die Tür, damit sie von niemandem gestört wurden.
»Wir dachten, du würdest nicht kommen«, grinste Narcisse.
»Ich wollte einfach mal hören, wie ihr spielt, weiter nichts.«
»Zaungäste können wir hier nicht gebrauchen!« rief Zoé.
»Wir sind eine Rockgruppe, und entweder du spielst mit, oder aber du verziehst dich wieder!«
Diese deutliche Abfuhr weckte in Julie plötzlich den Wunsch, bleiben zu dürfen.
»Was für ein Glück, daß ihr hier einen Platz ganz für euch allein habt«, seufzte sie.
»Wir brauchen unbedingt einen Raum für unsere Proben«, erklärte David, »und ausnahmsweise war der Direktor sehr entgegenkommend.«
»Ihm liegt eben viel daran, mit kulturellen Aktivitäten an seiner Schule prahlen zu können«, fügte Paul hinzu.
»Der Rest der Klasse glaubt, ihr wolltet euch einfach absondern.«
»Das stört uns nicht«, sagte Francine. »Man muß ungestört sein, um glücklich leben zu können.«
Zoé warf wieder angriffslustig den Kopf zurück. »Hast du immer noch nicht kapiert, daß wir hier proben und unter uns bleiben wollen? Du hast hier nichts verloren.«
Julie machte keine Anstalten, zu gehen, und Ji-woong griff vermittelnd ein. »Spielst du irgendein Instrument?« fragte er
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