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Die Revolution der Ameisen

Die Revolution der Ameisen

Titel: Die Revolution der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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Ob sie gleich abfallen werden?
    Am liebsten würde sie sich irgendwo verkriechen, denn die Informationsflut droht ihr Gehirn zu sprengen. Töne, Gerüche, Bilder, ungekannte Emotionen, abstrakte Ideen … Alles ist anders, viel subtiler und komplizierter, als sie jemals für möglich gehalten hätte.
    Sie begreift, daß sie bis jetzt nur halb gelebt hat. Ihr Horizont ist weiter geworden. Sie kann jetzt etwa 30 Prozent ihrer Gehirnkapazität nutzen, anstatt wie bisher nur 10 Prozent.
    Oh, es ist herrlich, sich durch die Macht der Chemie in ein sensibles Vollweibchen verwandelt zu haben, nachdem man sein Leben lang ein geschlechtsloses Wesen war!
    Langsam nimmt sie auch ihre Umgebung wieder wahr. Sie befindet sich in einem Wespennest, und wegen der künstlichen Wärme in diesem grauen Papierbau weiß sie nicht einmal, ob Tag oder Nacht ist. Wahrscheinlich ist die Nacht längst hereingebrochen. Oder ist es vielleicht sogar schon Morgen?
    Wie viele Stunden, Tage oder Wochen sind vergangen, seit sie das ›Gelee royale‹ geschluckt hat? Sie hat nicht bemerkt, wie die Zeit verging. Sie hat Angst.
    Die Wespenkönigin sagt etwas …

68. SPORT UND PHILOSOPHIE
    »Wir fangen heute mit einem kleinen Wettlauf an. Sie stellen sich jetzt in einer Reihe auf, rennen auf mein Signal hin los und drehen acht Runden. Ich stoppe, wie lange jeder braucht. Auf die Plätze, fertig, los!«
    Ein schriller Pfeifton ertönt.
    Auf dem Stundenplan stand als erstes der Sportunterricht.
    Julie und die Sieben Zwerge setzten sich notgedrungen in Bewegung. Viel lieber hätten sie jetzt in ihrem Musikraum neue Lieder einstudiert. Natürlich kamen sie als letzte ins Ziel.
    »Sie rennen wohl nicht gern, Julie, was?«
    Julie zuckte nur mit den Schultern, ohne die Turnlehrerin einer Antwort zu würdigen. Die Frau war sehr robust gebaut; in ihrer Jugend hatte sie als Schwimmerin sogar an Olympischen Spielen teilgenommen, und damals hatte man sie mit männlichen Hormonen vollgestopft.
    Die nächste Turnübung bestand darin, an einem Seil hochzuklettern. Julie schaffte es, sich einen knappen Meter hochzuziehen, bevor sie wieder auf den Boden sprang.
    »Wozu soll das gut sein?« protestierte sie. »Wir leben doch nicht mehr im Dschungel. Heutzutage gibt es überall Treppen und Aufzüge.«
    Die Turnlehrerin drehte ihr empört den Rücken zu und beschäftigte sich mit anderen Schülern, denen mehr daran lag, ihre Muskulatur zu entwickeln.
    Nach der Pause folgte die Deutschstunde, bei der nur randaliert wurde. Die Lehrerin konnte sich nicht durchsetzen und wurde mit Papierkügelchen bombardiert. Julie hatte Mitleid mit der Frau, traute sich aber nicht, gegen die Schikanen ihrer Mitschüler zu protestieren. Lehrer anzugreifen war viel einfacher, als sich gegen die Klassengemeinschaft zu stellen.
    Die Klingel bereitete dem Chaos ein Ende. Der Philosophielehrer betrat das Klassenzimmer und grüßte seine hinauseilende Kollegin mit betonter Höflichkeit. Im Gegensatz zu ihr war er sehr beliebt, weil er eine lockere Art hatte, witzige Bemerkungen machte und den Eindruck vermittelte, als wüßte er alles und hätte vor nichts Angst. Viele Mädchen schwärmten für ihn, und manche vertrauten ihm sogar ihre Probleme an. Auch die Rolle eines verständnisvollen Beraters beherrschte er perfekt.
    Sein heutiges Thema war die ›Revolte‹. Er schrieb das Zauberwort an die Tafel, legte eine wirkungsvolle Pause ein und begann:
    »Im Leben stellt man sehr schnell fest, daß es am einfachsten ist, immer ›ja‹ zu sagen. Auf diese Weise kann man sich perfekt in die Gesellschaft integrieren. Man wird überall mit offenen Armen aufgenommen, wenn man kritiklos zustimmt.
    Es kommt jedoch der Moment, wo dieses ›Ja‹, das bisher Türen öffnete, sie plötzlich verschließt. Vielleicht kennzeichnet der Augenblick, wo man ›nein‹ zu sagen lernt, den Übergang zum Teenageralter.«
    Es war ihm wieder einmal gelungen, seine Schüler mühelos zu fesseln.
    »Das ›Nein‹ besitzt mindestens genauso viel Macht wie das
    ›Ja‹. Das ›Nein‹ ist die Freiheit, anders zu denken. Es ist eine Demonstration des eigenen Charakters und erschreckt alle Jasager.« Der Philosophielehrer ging während seines Vortrags am liebsten im Klassenzimmer auf und ab, blieb manchmal stehen oder setzte sich auf eine Tischkante, um irgendeinem Schüler seine besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
    »Doch ebenso wie das ›Ja‹ hat auch das ›Nein‹ seine Grenzen. Wenn Sie immer und zu allem ›nein‹

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