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Die Revolution der Ameisen

Die Revolution der Ameisen

Titel: Die Revolution der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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daran, wie oft sie in ihrer kriegerischen Jugend solche Papiernester geplündert und Wespen mit Ameisensäure zur Strecke gebracht hat. Jetzt rächen sie sich an ihr.
    Alles wird schrecklich dunkel, und sie hat so gräßliche Schmerzen, daß sie kaum noch einen klaren Gedanken fassen kann. Ihr ist kalt. Sie zittert am ganzen Leib. Ihre Mandibel öffnen und schließen sich, ohne daß sie es verhindern kann. Sie hat jede Kontrolle über ihren Körper verloren.
    Gern würde sie die betrügerische Wespenkönigin angreifen, aber ihre Vorderbeine knicken ein.
    Alles scheint in Zeitlupe vor sich zu gehen. Es dauert unendlich lang, auch nur ein Bein vors andere zu setzen.
    Sie bricht zusammen.
    Bilder aus der Vergangenheit ziehen an ihr vorüber, zunächst aus der unmittelbaren Vergangenheit, dann aus der weit zurückliegenden. Sie sieht sich beim Kampf mit dem Skorpion, sie sieht sich auf den Rücken der Heuschrecken, sie sieht sich bei der Durchquerung der Wüste.
    Sie sieht sich bei der Flucht aus der Welt der Finger; sie sieht sich bei ihren ersten Dialogen mit den Fingern.
    Es ist so, als würde ein Film rückwärts abgespult.
    Sie sieht Nr. 24 wieder, ihre Freundin beim Kreuzzug, die auf der Insel Cornigera, mitten im Strom, ihre eigene freie Stadt gegründet hat. Sie sieht sich selbst zum erstenmal auf dem Rücken eines Nashornkäfers, der einen Zickzackkurs zwischen harten Regentropfen fliegen muß.
    Sie erlebt noch einmal ihre erste Expedition ins Land der Finger, ihre Entdeckung des tödlichen Endes der Welt – jener Straße, wo die Fahrzeuge der Finger jedes Leben vernichten.
    Sie sieht sich im Kampf mit der Eidechse, im Kampf mit dem Vogel, im Kampf mit ihren Schwestern, den Verschwörerinnen mit dem Felsengeruch.
    Sie sieht den Prinzen Nr. 327 und die Prinzessin Nr. 5\1 wieder, die sie in das große Geheimnis eingeweiht haben.
    Damit hat alles begonnen: ihr aufregendes Leben als Forschungsreisende und ihre Entdeckung der Welt der Finger.
    Ihr Gedächtnis hat sich verselbständigt, und sie kann die Bilder nicht abschalten.
    Sie sieht sich während des Klatschmohnkrieges, als sie töten mußte, um nicht getötet zu werden. Sie sieht sich inmitten Millionen anderer Soldatinnen, die sich gegenseitig Beine, Köpfe und Fühler ausreißen.
    Sie sieht sich durchs hohe Gras laufen, auf den Geruchspisten, die so angenehm nach ihren Schwestern duften.
    Sie sieht sich als blutjunge Ameise in den Gängen von Belokan, wo sie sich mit älteren Soldatinnen balgte.
    Die Reise in ihre Vergangenheit ist immer noch nicht zu Ende. Sie sieht sich als Puppe und als Larve! Sie trocknet im Solarium und kann sich nicht bewegen. Verzweifelt sendet sie Pheromonsignale aus, damit die überforderten Ammen sie vor den anderen Larven füttern.
    Nahrung! Ammen, gebt mir etwas zu essen, ich will viel essen, um groß und stark zu werden …
    Damals war ihr einziger Wunsch, schnell erwachsen zu sein.
    Sie sieht sich in ihrem Kokon und wird immer kleiner.
    Sie sieht sich im Ei, aufgestapelt inmitten anderer Eier. Eine winzige Kugel, gefüllt mit klarer Flüssigkeit. Das war auch schon sie, Nr. 103!
    Bevor ich eine Ameise wurde, war ich eine weiße Kugel.
    Sie glaubt, nun sei der Ausflug in die Vergangenheit endgültig vorbei, doch aus ihrem Gedächtnis steigen immer noch Bilder auf.
    Sie erlebt den Augenblick ihrer Geburt. Sie kehrt in den Mutterleib zurück und sieht sich als soeben befruchtete Eizelle. Bevor ich eine weiße Kugel wurde, war ich eine gelbe Kugel.
    Noch weiter zurück. Männliche und weibliche Zellen treffen aufeinander. Das ist der Augenblick, der über die ganze Zukunft entscheidet: Männchen, Weibchen oder Neutrum.
    Die Eizelle zittert.
    Männchen, Weibchen, Neutrum?
    Die Eizelle tanzt. Seltsame Flüssigkeiten vermischen sich in ihrem Kern, bilden warme, schillernde Substanzen Die Chromosomen greifen nacheinander. X, Y, XY, XX? Das weibliche Chromosom trägt den Sieg davon.
    Es ist tatsächlich wahr geworden! Das ›Gelee royale‹ hat die allererste Weichenstellung korrigiert, die für ihr Geschlecht entscheidend war.
    Nr. 103 ist jetzt ein Vollweibchen, eine Prinzessin!
    In ihrem Kopf explodiert ein Feuerwerk, so als hätte ihr Gehirn plötzlich viele Klappen geöffnet, um Licht einzulassen.
    Alle Sinne sind geschärft. Nr. 103 nimmt alles stärker wahr, und das ist durchaus schmerzhaft. Ihr ganzer Körper vibriert, vor ihren Augen kreisen farbige Scheiben, und ihre Fühler prickeln so, als hätte man sie in Alkohol getaucht.

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