Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Revolution der Ameisen

Die Revolution der Ameisen

Titel: Die Revolution der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
Vom Netzwerk:
explodiert und sie bespritzt. Regen! Weitere Bomben folgen. Das Phänomen ist nicht ganz so gefährlich wie ein Heuschreckenschwarm, aber vorsichtshalber weicht Nr. 10\1 etwas zurück.
    Sie betrachtet den Regen.
    Einsamkeit, Kälte, Nacht … bisher dachte sie, das wären nur Widrigkeiten. Aber die Nacht ist schön. Und sogar die Kälte hat ihren Reiz.
    Drittes Krachen. Wieder wächst ein Lichtbaum zwischen den Wolken hervor und stirbt, sobald er den Boden berührt, diesmal so nahe, daß sein grelles Licht die Höhle mit den schlafenden Kundschafterinnen erhellt.
    Der weiße Himmelsbaum hat einen schwarzen Erdbaum getroffen, der sofort in Brand gerät.
    Feuer!
    Die Ameise beobachtet das Feuer, das den Baum auffrißt. Sie weiß, daß die Technologie der Finger auf der Beherrschung des Feuers basiert, und sie hat gesehen, wozu das geführt hat: geschmolzene Felsen, verkohlte Nahrungsmittel und vor allem endlose Kriege mit Feuer, endlose Massaker mit Feuer.
    Bei den Insekten ist das Feuer tabu.
    Alle Insekten wissen, daß früher, vor Jahrmillionen, die Ameisen das Feuer kannten und damit schreckliche Kriege führten, bei denen manchmal ganze Wälder vernichtet wurden.
    Das nahm so katastrophale Ausmaße an, daß schließlich alle Insekten übereinkamen, den Einsatz dieses tödlichen Elements zu verbieten. Vielleicht besaßen sie deshalb weder Metalle noch Sprengstoffe.
    Das Feuer …
    Würden die Ameisen gezwungen sein, ihrer Evolution zuliebe dieses Tabu zu brechen?
    Die Prinzessin legt ihre Fühler nach hinten und schläft wieder ein. Sie träumt von Flammen.

80. HOCHFLUG
    Hitze.
    Julie fühlte sich wohl.
    Francine schüttelte ihre blonden Haare, Zoé bewegte sich wie eine Bauchtänzerin, David und Léopold stimmten ihre Soli aufeinander ab, und Ji-woong schien am Schlagzeug nicht zwei, sondern zehn Hände zu haben. Acht Personen waren zu einer einzigen verschmolzen, und Julie wünschte sich sehnlichst, dieser herrliche Moment möge ewig dauern.
    Das Konzert sollte um halb zwölf enden, aber die Emotionen waren viel zu stark. Julie besaß Energie im Überfluß, und sie wollte dieses fantastische Gemeinschaftsgefühl noch etwas länger auskosten. Sie glaubte zu fliegen und weigerte sich, auf die Erde zurückzukehren.
    Auf Ji-woongs Zeichen hin stimmte sie noch einmal die Revolution der Ameisen an. Die Mädchen vom Aikido-Club skandierten auf den Gängen:
     
    »Wer sind die neuen Visionäre? Wer sind die neuen Erfinder?«
     
    Applaus.
     
    » Wir sind die neuen Visionäre! Wir sind die neuen Erfinder.«
     
    Julies graue Augen strahlten, und wieder fiel ihr der richtige Satz einfach zu: »Seid ihr bereit zur Revolution – hier und jetzt?«
    »Jaaaaa!« rief das Publikum.
    »Seid ihr bereit, die Welt zu verändern … hier und jetzt?«
    Ein noch lauteres: »Jaaaaa!«
    Plötzlich zögerte Julie, und ihr wurde ebenso bange zumute wie einst Hannibal vor den Toren Roms. Der Sieg schien viel zu leicht errungen.
    Die Sieben Zwerge warteten auf einen Satz oder auch nur eine Geste von ihr. Das Publikum hing an ihren Lippen. Die Revolution, von der in der Enzyklopädie soviel die Rede war, schien zum Greifen nahe. Alle sahen sie erwartungsvoll an. Sie brauchte nur zu rufen: »Vorwärts!«
    Die Zeit stand still. Dann schaltete der Direktor die Lautsprecheranlage aus, dämpfte die Scheinwerfer und machte Licht im Saal. Er kam auf die Bühne und erklärte: »Das Konzert ist beendet.
    Nochmals Applaus für Schneewittchen und die Sieben Zwerge!«
    Der Zauber war gebrochen. Die Zuschauer klatschten, aber ziemlich matt. Alles nahm wieder den gewohnten Gang. Nach einem Konzert, auch nach einem sehr gelungenen, gehen die Menschen nun einmal auseinander und legen sich zu Hause zufrieden schlafen.
    »Gute Nacht und danke«, murmelte Julie.
    Während sie sich in der Garderobe abschminkten, war so etwas wie allgemeine Verbitterung zu spüren. Sie waren so nahe daran gewesen, die Masse zu mobilisieren. So nahe!
    Der Direktor trat mit gerunzelter Stirn ein.
    »Es tut uns wahnsinnig leid«, sagte Julie hastig. »Wir werden selbstverständlich für die Schäden aufkommen, die bei der Schlägerei zu Beginn des Konzerts entstanden sind.«
    Er hob verwundert die Brauen. »Was tut euch wahnsinnig leid? Daß ihr uns einen großartigen Abend beschert habt?«
    Lachend nahm er Julie in die Arme und küßte sie auf beide Wangen. »Ihr wart wirklich toll!«
    »Aber …«
    »Endlich war in dieser kleinen Provinzstadt etwas los … Ein richtiges

Weitere Kostenlose Bücher