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Die Revolution der Ameisen

Die Revolution der Ameisen

Titel: Die Revolution der Ameisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Werber
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Gruppe nicht gerechnet.
    Julie improvisierte: »Ausgezeichnet! Wenn man die Welt nicht verändern will, leidet man an ihr.«
    Neuer Applaus. Die Ideen der Enzyklopädie trafen ins Schwarze. Sie wiederholte: »Wenn man die Welt nicht verändern will, leidet man an ihr. Denken Sie an eine andere Welt! Denken Sie anders! Lassen Sie Ihrer Fantasie freien Lauf. Wir brauchen Erfinder, wir brauchen Visionäre.«
    Sie schloß die Augen. Vielleicht war es das, was die Japaner satori nannten, dieser Moment, wo Bewußtsein und Unterbewußtsein miteinander verschmelzen. Totale Seligkeit.
    Das Klatschen des Publikums und ihr eigener Herzschlag schienen genau übereinzustimmen. Das Konzert hatte erst begonnen, und schon bedauerten alle, daß es einmal zu Ende gehen würde, daß Glück und Gemeinschaftsgefühl bald wieder der Alltagsmonotonie Platz machen mußten.
    Julie hielt sich nicht mehr an die Enzyklopädie , sondern improvisierte frei, und die richtigen Worte kamen über ihre Lippen, ohne daß sie wußte, wie sie ihr eingefallen waren. Sie drängten selbständig aus ihr hervor, so als wäre ihr Mund nur eine Tür, durch die sie entweichen konnten.
     

78. ENZYKLOPÄDIE
     
    Noosphäre: Menschen besitzen zwei unabhängige Gehirne –
    die rechte und linke Hälfte. Jede verfügt über ihre eigenen Fähigkeiten. Die linke Hälfte ist für die Logik zuständig, die rechte für die Intuition, die linke für Zahlen, die rechte für Formen. Ein und dieselbe Information wird von den beiden Gehirnhälften verschieden analysiert, und es ist durchaus möglich, daß sie zu verschiedenen Schlußfolgerungen kommen. Die rechte Hälfte, das beratende Unterbewußtsein, scheint nur nachts mit Hilfe von Träumen direkten Einfluß auf die linke Hälfte, das tatkräftige Bewußtsein, ausüben zu können; ähnlich wie bei einem Ehepaar, wo die intuitive Frau gegenüber dem materialistischen Mann ihre Meinung verstohlen durchsetzen muß.
    Gemäß dem russischen Gelehrten Wladimir Wernadskij, der auch das Wort ›Biosphäre‹ erfunden hat, sowie dem französischen Philosophen Teilhard de Chardin besitzt dieses intuitive weibliche Gehirn noch eine weitere Gabe, nämlich die Fähigkeit, mit der sogenannten ›Noosphäre‹ in Verbindung zu treten. Die Noosphäre ist eine große Wolke, die den Planeten umschließt, ebenso wie die Atmosphäre oder die Ionosphäre.
    Diese immaterielle Wolke ist aus dem Unterbewußtsein aller Menschen zusammengesetzt, das von ihren rechten Gehirnhälften ausgesandt wird, und sie bildet einen großen Immanenten Geist , sozusagen die globale menschliche Bewußtseinslage.
    Wir glauben, uns selbst etwas ausgedacht zu haben, während in Wirklichkeit unsere rechte Gehirnhälfte bereits Kontakt mit der ›Noosphäre‹ aufgenommen hatte. Und wenn die linke Gehirnhälfte auf die rechte hört, läßt sich die Idee verwirklichen.
    Dieser Hypothese zufolge sind Maler, Musiker, Erfinder oder Schriftsteller nichts anderes als Radiogeräte, die mit Hilfe ihrer rechten Gehirnhälften aus dem kollektiven Unterbewußtsein schöpfen und anschließend beide Gehirnhälften zu einem freien Gedankenaustausch anregen, damit die in der Noosphäre vorhandenen Ideen in die Tat umgesetzt werden können.
    EDMOND WELLS,
    Enzyklopädie des relativen und absoluten Wissens, Band III

79. SCHLAFLOSIGKEIT
    Es ist Nacht, aber die Ameise schläft nicht. Lärm und Licht haben Nr. 103 geweckt, während die zwölf jungen Kundschafterinnen friedlich schlummern.
    Bisher hat sie nachts nie etwas wahrgenommen, weil ihr kaltes Blut im Schlaf erstarrte. Doch seit sie eine Prinzessin ist, hat diese angenehme Betäubung nachgelassen. Sie schreckt beim leisesten Geräusch hoch – ein Nachteil empfindlicherer Sinne.
    Nr. 103 erhebt sich.
    Es ist kalt, aber sie hat soviel gegessen, daß ihre Kraftreserven ausreichen, um wach zu bleiben. Vom Höhleneingang aus späht sie ins Freie, weil sie wissen will, was draußen vorgeht. Die Kröten quaken nicht mehr, der Himmel ist schwarz, und der halb verhüllte Mond spiegelt sich im Fluß.
    Sie sieht ein grelles Licht, das über den Himmel zuckt. Ein Gewitter. Der Blitz gleicht einem Baum mit langen Ästen, die aus dem Himmel wachsen, um die Erde zu berühren. Aber dieser Baum ist sehr kurzlebig.
    Nach dem Donner wirkt die Stille noch bedrückender. Der Himmel wird noch schwärzer. Mit ihrem Johnston-Organ nimmt die Prinzessin die Elektrizität der Luft wahr.
    Und dann fällt eine Bombe. Eine riesige Wasserkugel, die am Boden

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