Die Riesen von Ganymed
jemals zu Gesicht bekommen hatte, höchstens auf sorgsam gehüteten Aufnahmen, die aus einer unendlich fernen Vergangenheit, jenseits aller Erinnerungen, überliefert worden waren. Kein Wunder, daß sie Bestürzung über das, was sie nach ihrer langen Reise erwartete, gezeigt hatten.
Aber als die Erdbewohner ihre Ansicht äußerten, die Ganymeder seien von einem anderen System gekommen, und Auskunft über dessen Position verlangten, wurden sie allem Anschein nach von den Ganymedern mit einer abschlägigen Antwort beschieden. Offenbar versuchten ihnen die Fremden zu verdeutlichen, daß ihre Reise vor unendlich langer Zeit auf Minerva selbst begonnen hatte, eine Auskunft, die natürlich lächerlich erscheinen mußte. Da sich Storrel mittlerweile jedoch in grammatischer Hinsicht hoffnungslos verstrickt hatte, wurde der Fall aus Gründen eines zwischenzeitlich aufgetauchten Verständnisproblems zunächst auf Eis gelegt. Zweifellos würde er später gelöst werden, wenn die sprachlichen Fähigkeiten des Übersetzers besser geworden waren.
Der ganymedische Übersetzer war auf die implizite Verbindung zwischen ›Erde‹ und ›Erdbewohner‹ aufmerksam geworden und kehrte daher zu dem problematischen Fall zurück, indem er sich Gewißheit darüber verschaffte, daß die Geschöpfe, mit denen er sich unterhielt, tatsächlich vom dritten Planeten der Sonne gekommen waren. Als dies bestätigt wurde, schienen die auf dem Schirm sichtbaren Ganymeder sehr erregt zu werden und ergingen sich in langem Gesprächsaustausch untereinander, der nicht übertragen wurde. Warum diese Enthüllung denn eine solche Reaktion hervorrief, wurde nicht erklärt. Eine entsprechende Frage wurde auch nicht gestellt.
Die Fremdlinge deuteten schließlich an, daß sie eine sehr lange Zeit unterwegs gewesen waren und daß sie mancherlei Krankheit und Todesfälle zu ertragen und zu beklagen hatten. Ihre Vorräte waren knapp geworden, ihre Ausrüstung war in schlechtem Zustand, vieles war irreparabel.
Hinzu kam, daß sie alle miteinander unter völliger körperlicher, geistiger und seelischer Erschöpfung litten. Sie vermittelten den Eindruck, daß ihnen lediglich der Gedanke an die Rückkehr in die Heimat den Willen zum Durchhalten angesichts unsagbarer Schwierigkeiten gegeben habe; da nunmehr ihre Hoffnung zerstört sei, seien sie am Ende.
Shannon ließ Storrel die Unterredung mit den Fremden fortführen, entfernte sich vom Schirm und bedeutete einigen anderen, auch den beiden Naturwissenschaftlern, sich zum Zwecke einer kurzen, improvisierten Beratung zusammenzusetzen.
»Ich schicke eine Expedition zu ihnen rüber«, teilte er ihnen mit gedämpfter Stimme mit. »Sie brauchen Hilfe, und wir können davon ausgehen, daß wir die einzigen in der Nähe sind, die sie ihnen geben können. Ich berufe Storrel aus dem Dock ab und lasse ihn den Trupp anführen; ich denke, daß er gut mit ihnen zu Rande kommt.«
Dann blickte er Hayter an. »Captain, lassen Sie sofort einen Bus zum unmittelbaren Aufbruch startklar machen. Teilen Sie zehn Leute ein, die Storrel begleiten sollen, darunter mindestens drei Offiziere. Ich möchte, daß jeder Teilnehmer zu einer Instruktion in der Schleusenvorkammer des Busses, der als schnellster startklar ist, antritt, sagen wir in … dreißig Minuten, vom jetzigen Zeitpunkt aus gerechnet. Jeder natürlich in vollständiger Ausrüstung.«
»Wird sofort erledigt«, bestätigte Hayter.
»Hat irgendwer noch weitere Fragen?« fragte Shannon die Anwesenden.
»Sollen Seitengewehre getragen werden?« wollte einer der Offiziere wissen.
»Nein. Noch irgendwas?«
»Noch eine Sache.« Es war Hunt, der sich meldete. »Eine Bitte. Ich möchte auch gerne mitgehen.« Shannon blickte ihn an und zögerte, als sei er von der Frage überrascht. »Ich bin mit dem besonderen Auftrag hierhergeschickt worden, die Ganymeder zu erforschen. Das ist meine offizielle Aufgabe. Könnte es einen besseren Weg zur Unterstützung meiner Pflichterfüllung geben?«
»Na, ich weiß wirklich nicht recht.« Shannon legte sein Gesicht in Falten und kratzte sich am Hinterkopf, während er nach möglichen Einwänden suchte. »Ich nehme an, daß nichts dagegenspricht. Ja – ich glaube, das geht in Ordnung.« Er wandte sich an Danchekker. »Wie steht’s mit ihnen, Professor?«
Danchekker hob protestierend beide Hände. »Ihr Angebot ist zu freundlich, aber vielen Dank, nein. Ich fürchte, für einen einzigen Tag habe ich bereits genügend Aufregung gehabt. Und
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