Die Ringe der Macht
sich. Kein Tor öffnete sich.
»Ich …« Gregorin war rot geworden, dann schien alles Blut aus seinem Gesicht zu weichen. »Aber das ist unmöglich. Das ist Fregorins Tor.«
Hilfesuchend sah er sich um. Burin trat vor. »Lass mich es versuchen!«
Unwillen stand in Gregorins Gesicht geschrieben, aber dann trat er zur Seite. Burin stand wie versunken da, die rechte Hand um etwas auf seiner Brust gekrampft wie um einen Talisman, und Kim erinnerte sich, dass er ihn schon einmal so gesehen hatte, bei ihrer Begegnung im Haus des Kustos.
Im ersten Augenblick erschien es nur wie ein Widerschein der untergehenden Sonne, doch dann wurden die Linien der Gravur röter und heller. Ein Dreieck zeichnete sich in dem Kreis ab, mit der Spitze nach oben. Es brannte wie von einem inneren Feuer.
»Kirith Urim-khazâr!«, hauchte Burin.
Er zeichnete die Glyphe des Meisters, die in der Schrift keines Volkes eine Entsprechung hatte, in das Zentrum des Kreises.
Einen Augenblick geschah nichts, und es schien, als sollte auch dieser Versuch fruchtlos bleiben. Da zeigten sich an den Rändern der Nische, dort, wo der Stein in Form einer Tür vertieft war, haarfeine Spalten, und mit einem kaum wahrnehmbaren Knirschen glitt der Fels zurück. Alsdann teilte sich die Platte, schwenkte nach rechts und links zur Seite und gab den Blick in eine dunkle Tiefe frei.
In diesem Augenblick hörten sie das Heulen in der Ferne. Es war leise, kaum zu vernehmen, aber jeder von ihnen erkannte sofort, was es bedeutete.
Kim spürte, wie die Furcht von ihm Besitz zu ergreifen drohte.
»Rein!« Auch Fabians Stimme war nicht frei von Zittern.
Es hätte der Aufforderung gar nicht bedurft. Alle folgten dem Befehl und drängten sich durch den Eingang ins Innere.
»Wie schließt man das Tor?«, fragte Gilfalas, als sie alle drinnen waren.
»Ich weiß nicht«, antworteten Burin und Gregorin wie aus einem Munde.
»Toll!«, entfuhr es Fabian. »Ich möchte nicht von den Schattenhunden durch die Finsternis dieser Höhlen gejagt werden.«
Von draußen drang erneut ein Laut an ihr Ohr. Die Hunde waren näher gekommen. Man hörte nun wieder ihr hechelndes Bellen, das, wenn auch ebenso unheimlich, nicht die gleiche Wirkung hatte wie ihr verfluchtes Geheul.
Einen Augenblick standen die Gefährten unschlüssig im Gang, aber dann entschieden sie sich, weiterzugehen. Es hatte keinen Sinn, hier ergeben auf ein unvermeidliches Schicksal zu warten.
»Zarakthrôr ist etwas Besonderes«, meinte Gregorin. »Hier herrschen andere Gesetze. Vielleicht folgen sie uns nicht hinein.«
»Und wie finden wir uns hier zurecht?«, fragte Burin.
»Ich habe eine Karte«, knurrte Gregorin.
So machten sie sich denn auf den Weg den finsteren Gang entlang, der sich vor ihnen aufgetan hatte. Er war so breit, dass gerade zwei von ihnen nebeneinander gehen konnten, und führte schnurstracks in den Fels hinein. Das schwache, rötliche Licht, das durch den Eingang fiel, ließ nicht viel erkennen, aber genug, um zu sehen, dass dieser Gang nicht natürlichen Ursprungs war. Die Wand war bearbeitet. Kim zählte die Schritte; als er bei etwa zweihundertfünfzig angekommen war, machte der Gang die erste Biegung. Dahinter lag völlige Schwärze.
Er warf einen Blick zurück. Das Eingangstor war nur noch als kleiner roter Fleck in der Ferne zu erkennen. Hörte er wieder das Hecheln der Hunde?
Dann flackerte plötzlich ein Schatten in der Öffnung.
Noch bevor Kim die Frage stellen konnte, was geschehen war, zerriss das Echo des Gebells der Schattenhunde die Stille und hallte schaurig von den Wänden wider.
»Sie sind drinnen«, entfuhr es ihm. »Lauft um euer Leben!«
Sie rannten los, hinein in die Dunkelheit. Fabian fluchte, und Kim konnte gerade noch erkennen, wie Gilfalas an seinem Wams nestelte, unter dem er in einem Lederbeutel den Ring barg.
»So besonders geeignet, die Biester aufzuhalten, scheinen die Gesetze dieses Ortes doch nicht zu sein«, stellte Burin mit seinem trockenen Humor fest.
»Schneller!«, kommandierte Gregorin, Burins Bemerkung ignorierend.
»Aber es ist so dunkel«, sagte Marina.
»Das ändert sich«, gab Gregorin knapp zur Antwort.
So stolperten sie mehr durch den nachtdunklen Gang, als dass sie liefen. Kim orientierte sich an Gwrgi, der vor ihm ging und im Dunkeln einigermaßen gut zu sehen schien, wenn auch nicht so gut wie Gilfalas. Gilfalas lief neben Gregorin an der Spitze. Marina rannte neben Kim, und den Abschluss ihrer Gruppe bildeten Burin und Fabian,
Weitere Kostenlose Bücher