Die Ringe der Macht
das Kim nicht zu deuten vermochte: ein Staunen, aber noch mehr als das. »Aber was ist mit den Hunden? Kommen die wieder, oder hast du sie besiegt?«
»Ich fürchte, ich habe sie nur zurückgeschlagen«, entgegnete Gilfalas. »Ich glaube nicht, dass sie von uns ablassen werden. Wir sollten uns eilen, nach Zarakthrôr und in die schützenden Höhlen zu gelangen.«
»Na, dann nichts wie weg«, sprach Fabian. »Ich möchte diesen Wesen nicht noch einmal begegnen.«
»Was … was haben sie uns angetan?« Es war Marina, die endlich wieder den Kopf gehoben hatte. Gwrgi saß noch immer zusammengekauert da, aber er schluchzte jetzt nicht mehr.
»Ich glaube, dass ich es begriffen habe«, sagte Kim. »Unsere Ängste geben diesen Wesen eine Gestalt. Durch ihr Heulen werden unsere größten Schrecken für uns lebendig. Gelähmt vor Angst ist man eine leichte Beute für ihre gewaltigen Fänge.«
»So ist es«, bestätigte Gilfalas. »Wir können froh sein, dass es heller Tag war, als wir ihnen begegneten. In der Nacht sind sie ungleich mächtiger. Unsere eigene Angst ist unser größter Feind, und es heißt in Liedern unseres Volkes, dass selbst die reinsten Herzen sich der Furcht beugen müssen.«
»Dann ist es ja gut, dass dein Ring kein Herz hat«, sagte Fabian, und fügte hinzu, um der Sache die Schärfe zu nehmen: »Wenn noch jemand einen Ring verbirgt, so möge er ihn nun enthüllen. Auf die Dauer sind solche Überraschungen nichts für mich. Das zehrt mehr an meinen Nerven als ein diplomatischer Empfang.«
Kim blickte zufällig auf die Zwerge, die den Scherz freilich nicht zu teilen schienen; denn sie lächelten nicht. Aber in Burins Augen blitzte es kurz auf – vielleicht nur ein Lichtreflex, nicht mehr –, während die Miene des Alten ausdruckslos blieb wie zuvor.
»Gehen wir«, sagte Gregorin.
Sie steckten ihre Waffen wieder ein, die sich in diesem Kampf als sinnlos erwiesen hatten. Aber wenn Bolgs wieder einmal ihren Weg kreuzen sollten, waren ein paar Ffuß guten Stahls gewiss nicht zu verachten. Und sicherlich hätte sich jeder lieber einem Dutzend Bolgs gestellt als den unheimlichen Hunden der Nacht.
Burin nahm sich Marinas an, die immer noch schwach in den Knien war, während Fabian Gwrgi bei der Hand nahm. Der Sumpfling, der bisher kein Wort gesagt hatte, ließ sich willenlos führen wie ein Kind. Er blickte starr geradeaus, nur ab und zu flackerte es unruhig in seinen grünen Augen.
Kim fragte sich, während sie unter Führung Gregorins weitermarschierten, was die anderen wohl in den Schattenhunden gesehen haben mochten. Die Ängste seiner Gefährten waren gewiss weit größer und gefährlicher, als die seinen es je sein könnten. Oder war das alles nur eine Frage des Blickwinkels?
Mit Schaudern dachte Kim daran, wie er damals die Fuchsratte nur mit Mühe hatte abwehren können, das scharfe, geifernde, spitze Gebiss nur wenige Fingerbreit von seinem Gesicht entfernt, bis sein Vater mit dem Spaten in den Bau eingedrungen war und dem Tier damit ein Ende bereitete. Sein Vater hatte nicht geschimpft, sondern ihn wortlos in die Arme genommen. Das hatte Kim mehr als alles andere gezeigt, in welcher Gefahr er geschwebt hatte.
Plötzlich stockte sein Schritt. Gregorin war stehengeblieben und die anderen ebenso. »Hier geht es hinauf«, erklärte er.
Kims Augen suchten die Felswand vor ihnen ab, die sich wie überall im Bereich des Anderfalls über einer Schleppe von Geröll fast dreihundert Ffuß mehr oder minder lotrecht in die Höhe schwang.
»Ein Aufzug?«, fragte er hoffnungsvoll, des hilfreichen alten Zwergenwerks in der Klamm an der Passhöhe gedenkend.
»Ich fürchte«, meinte der Zwerg, »diesmal werden wir zu Fuß gehen müssen.«
Das klang unheilvoll. Und Kims düstere Ahnung sollte sich alsbald bestätigen.
An einer Stelle, wo ein Band aus Fels eine begehbare Rampe zwischen den Geröllhalden bildete, kletterten sie zum Fuß der Wand empor. Hier, über den Gipfeln der Bäume, kamen sie sich schutzlos und preisgegeben vor; ängstlich suchten ihre Augen die Umgebung ab, aber das seltsame Zwielicht, das unmerklich wieder näher gerückt war, begrenzte den Blick auf ein paar hundert Schritt. Immerhin war auf diese Entfernung von den Schattenkreaturen nichts zu sehen, nicht einmal eine Bewegung oder ein Flirren in der Luft. Hier oben blies ein stetiger Wind, der an ihren Kleidern zerrte, den Dunstschleier aber nicht verjagen konnte.
»Wo geht es weiter?«, fragte Fabian.
Gregorin war an die
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