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Die Ringe der Macht

Die Ringe der Macht

Titel: Die Ringe der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst von Allwörden , Helmut W. Pesch
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des Raumes, Kometen gleich, doch aus Dunkelheit, nicht aus Feuer gemacht, und die Schatten hatten Gesichter, Fänge, Klauen …
    Die blaue Lichtwand erzitterte, als das erste der Schattenwesen sich dagegenwarf. Zwei, drei weitere kamen angeschossen. Blitze zuckten auf. Der Schirm flackerte, bekam Risse.
    In diesem Augenblick lief Gilfalas los.
    Immer noch umgab ihn das blaue Licht, das von seinem Ring ausging, und die Schatten folgten ihm wie Motten einer Flamme, wie Hunde einem waidwunden Wild. Gilfalas rannte auf den Wasserfall zu. Die Meute der Schattenhunde tanzte um ihn herum, drang auf ihn ein.
    Am Rande des Abgrunds hielt der Elbe ein letztes Mal inne. Er wand sich, im Würgegriff der Schatten, die sich in ihn verbissen hatten. Kim sah sein Gesicht; es war verzerrt von einem Schrecken, der jenseits allen Begreifens lag. Gilfalas mochte die schlimmsten Augenblicke seines Lebens durchmachen. Kim sah, wie der Elbe den Mund öffnete, aber kein Wort, kein Schrei drang nach außen.
    Dann warf Gilfalas sich über die flache, kunstvoll gearbeitete Balustrade und stürzte mit dem glänzenden Wasser in die Tiefe.
    Mit ihm stürzten die Schattenhunde. Ihr Heulen wurde zu einem schrillen Ton der Wut und des Hasses; doch sie hatten sich so fest in ihr Opfer verbissen, dass sie sich nicht mehr von ihm lösen konnten. Mit einem langgezogenen Jaulen wie dem Schrei einer verlorenen Seele, die ihr Ziel der ewigen Verdammnis vor Augen sieht, wurden sie mit dem Strudel hinabgerissen in den Abgrund der Welt.
    Das blaue Leuchten erlosch.
    Es war still in der Halle bis auf das endlose Rauschen des Wassers.
    Kim wagte kaum zu atmen. Auch die übrigen hatten das Geschehen mit Entsetzen verfolgt, und alle begriffen, dass sich Gilfalas für sie geopfert hatte. Er hatte ihnen den Weg freigemacht.
    Wie Schlafwandler gingen sie nach und nach zum Rand des Wasserfalls und starrten in die Tiefe. Sie konnten den Abgrund mit ihren Blicken nicht erforschen, doch jeder von ihnen wusste, diesen Sturz dorthinab konnte keiner überleben, weder Mensch noch Zwerg, noch Elbe – und vielleicht nicht einmal die Geschöpfe der Nacht, die sie bis aufs Blut gehetzt hatten.
    Seltsamerweise war es wiederum Gwrgi, der als Erster Worte fand.
    »Gibt es ein höheres Gut«, flüsterte er, »als sein Leben einzusetzen für eine gerechte Sache?«
    Die anderen sahen sich stumm an. Es waren dieselben Worte, die sie Magister Adrion zum Abschied zu Gilfalas gesagt hatte.
    Gregorins Miene war ausdruckslos wie immer. Er zog seine Karte hervor, studierte sie kurz und gab die Richtung an. »Gehen wir«, sagte er.
    In dem Augenblick, als die Gefährten den Felsendom verließen, drang, getragen von den Schwingungen in den Felswänden, ein dumpfer Laut an ihr Ohr, der sich in monotonem Rhythmus wiederholte.
    »Was ist das?«, fragte Kim.
    »Trommeln«, sagte Fabian, »Trommeln in der Tiefe.«

K APITEL VII
DER FÜRST DER ÜBERWELT
    Gilfalas fiel.
    Er stürzte hinab in einen Strudel aus Dunkelheit.
    Und er war nicht allein.
    Schatten umgaben ihn, umtanzten ihn in Wirbeln, aus denen sich Gesichter schälten, Bilder, die vor seinem inneren Auge wuchsen, Konturen gewannen und so seinen Widersachern Gestalt verliehen. Und sobald aus diesen Schatten Wesen wurden, würde er, Gilfalas, unter ihrem Ansturm fallen; denn das war der Moment der Aufgabe. Und dann würden sich die scharfen Reißzähne eines der Hunde in seine Kehle bohren.
    Mit Mühe und Not unterdrückte er das Bedürfnis, seine Furcht vor dem, was in ihm wuchs, herauszuschreien, seine Todesangst hinauszubrüllen. Er wusste, was sich da vor ihm manifestierte, aber er weigerte sich, diese Erkenntnis zu akzeptieren. Die flirrende Luft formte sich, wuchs in die Höhe, siebenfach formten die Ängste identische Gestalten.
    Aus formlosem Nichts entstand ein Umriss, der fast menschliche Formen hatte. Noch war alles durchscheinend, alles fließend. Gilfalas wehrte sich gegen das Unvermeidliche, versuchte seinen Willen zu sammeln, um dem Heulen, das tausendfach in seinen Ohren zu widerhallen schien, etwas entgegenzusetzen.
    Waren es Stunden, die er fiel; waren es Augenblicke? In diesem Strudel, der ihn in den Abgrund riss, gab es keine Zeit, keinen Raum. Alles um ihn herum verschwamm; nur die sich nach und nach kristallisierenden Gestalten, die sich aus den Wirbeln herausbildeten wie Spiegelungen in zu heiß gewordener Luft, blieben für ihn klar erkennbar. Verzweifelt versucht Gilfalas die Augen zu schließen, um nicht mehr mit

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