Die Ringe der Macht
Wasser. Aus dem Heulen wurde entsetztes, angsterfülltes Winseln; aber Gilfalas, der nun lächelte, war erbarmungslos. Denn die Schatten, das wusste er nun, waren nur ein Abglanz dessen, was in ihm selbst schlummerte …
Gilfalas würde das Böse mit in seinen unvermeidlichen Tod reißen, und der Weg war frei für seine Gefährten. Noch einmal bot der Elbe alle Kraft auf. Tränen schossen aus seinen Augen, aber es waren Tränen der Freude, Tränen des Sieges. Der Elbe sah seinen Sturz nicht mehr als Opfer, sondern als glorreiche Tat. Denn er hatte seinen größten Feind bezwungen: sich selbst, seine Ignoranz gegenüber dem Bösen, das in ihm wohnte.
Dann schlug er wie ein Stein, der aus luftiger Höhe ins Wasser geschleudert wird, in jenen dunklen Teich, der auf dem Grunde der Welt liegt, wo alles Licht versiegt und alle Wege enden. Die eisigen Wasser schlossen sich über ihm, und als die Wirbel ihn davontrugen, schwanden ihm die Sinne …
Etwas, das auf dem Grund des Teiches geschlafen hatte, erwachte. Es wusste nicht, wie lange es dort gelegen hatte. Aber es hatte eine lange, lange Zeit geschlafen, und nun war es wach.
Sein gewaltiger Körper erhob sich vom felsigen Grund, und es war, als erhöbe sich ein Teil des Grundes selbst, eine urtümliche Macht, die aus der Essenz der Welt selbst geschaffen war. Und es war nicht einer, nein, es waren viele.
Da war etwas, das sein Interesse erregte. Ein Licht. Ein blaues Licht, das flackerte, als sei es im Erlöschen begriffen. Und so folgte es dem Ding, das seinen Schlaf gestört hatte; es hängte sich an das blaue Licht, das nach und nach immer schwächer wurde.
Doch es war nicht das Licht gewesen, was jenes Wesen geweckt hatte.
Es war an der Zeit gewesen, dass es erwachte …
Das fröhliche Gezwitscher der Vögel holte ihn wieder in die Wirklichkeit. Geschäftig sangen sie irgendwo über ihm, ungerührt, unbeeindruckt von den Widrigkeiten des Lebens.
Es dauerte lange, bis Gilfalas wieder ganz bei Sinnen war. Er fühlte sich so erschöpft wie noch nie in seinem Leben. Die Tage, als die belegim und ihre finsteren Herren ihn durchs Elderland jagten, hatten ihn längst nicht so ermüdet, auch nicht der lange Marsch über Berg und Tal und durch die Tore der Nacht …
Ist das der Tod , fragte er sich. Spürt man alle Erschöpfung seines Lebens, bis sie von einem abfällt und man auf ewig in der Halle des Jünglings und der Maid singt, tanzt und vergnügt ist?
Gilfalas richtete sich mühsam auf. Er lag am Ufer eines Teiches, nahe der Mündung eines Baches, der den kleinen See auf der anderen Seite wieder verließ und irgendeinem größeren Fluss zustrebte.
Ithiaz Keiden , war sein erster Gedanke. Die Wasser des Erwachens! Der Anfang der Welt, von dem das Elbentum seinen Ausgang nahm.
Aber nein, das waren keine Lilien, die im Schilf nickten, sondern Seerosen und Iris. Und das Wasser war kühl und schlammig, wie aufgewühlt von einem Kampf oder einem großen Tier.
Triefend nass erhob sich der Elbe und versuchte herauszufinden, wo er war. Die Sonne stand hoch am Himmel und schickte ihre wärmenden Strahlen zu ihm herunter. Ein Hauch von Frühling war in der Luft. Bienen summten geschäftig umher, der Duft von erblühten Blumen stieg ihm in die Nase. Die vereinzelten Bäume standen in frischem Grün. Im Westen erhob sich eine Kette sonnenbeschienener Berge.
Im Westen?
Ganz langsam drang in Gilfalas’ Bewusstsein, dass das Gebirge eigentlich im Osten liegen müsste. Der Wasserfall in dem Felsendom floss mit Sicherheit ins Elderland, aber das hier war nicht der große Garten des Ffolks. Hier wuchs alles frei und ungezähmt.
Hatte er das Sichelgebirge hinter sich gelassen? War dies die andere Seite?
Und wieso war es Frühling? Er erinnerte sich genau: Es war Herbst gewesen in Elderland, und die Blätter dort hatten sich bereits verfärbt, so wie in den goldenen Bäumen rings um das Andermaar.
War er also doch tot? Gilfalas spürte keinen großen Unterschied zu seinem früheren Leben. Er hatte sich nie große Gedanken über das Dasein nach dem Tode gemacht, aber irgendwie hatte er sich immer vorgestellt, man sei dann gefeit gegen alle Unbilden, die das Leben zu einer Prüfung machten. Aber er war nass, erschöpft, hungrig und durstig wie noch nie in seinem Leben. Er hätte einen halben Ochsen auf geröstetem Weißbrot verzehren und dazu ohne Schwierigkeiten einen Badezuber voller Wasser und Wein leertrinken können.
Wo war er hier? Alles war so anders. Gilfalas war
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