Die Risikoluege
bewusst, dass für den Ernstfall weder genügend Schutzunterkünfte noch ausreichende medizinische Versorgung, weder Krisenpläne noch Kommunikationsstrategien vorhanden sind. Und mit einigem Unbehagen stellt man sich die Frage, wie sich wohl die Verantwortlichen in Industrie und Politik bei einem gentechnischen Unfall verhalten würden, wenn schon die Bakterienepidemie EHEC zum europaweiten Problem wurde.
In einer technischen Zivilisation mit repräsentativer Demokratie obliegt vor allem dem Staat die Pflicht, die Öffentlichkeit verantwortungsvoll aufzuklären. Der Bürger erwartet heute rückhaltlose Information. Wo geschwiegen wird oder nur nichtssagende Erklärungen und erzwungene Mitteilungen abgegeben werden, wo nur ein Teil gesagt und Fragen nicht beantwortet werden, entstehen Zweifel, und das Vertrauen zum Staat und seinen Repräsentanten geht verloren.
Und dieses ist nicht mehr groß. Eine repräsentative Leserbefragung des Magazins Readers Digest – durchgeführt in 16 europäischen Ländern im Jahr 2011 – ergab, dass unter 20 vorgegebenen Berufen 95 Prozent der befragten Deutschen den Feuerwehrleuten das größte Vertrauen aussprachen. Piloten und Krankenschwestern kamen auf 92 Prozent, Apotheker auf 86 und Ärzte auf 85 Prozent.
Auch Polizisten erzielten einen hohen Vertrauenswert mit 79 Prozent. Priestern und Pfarrern hingegen vertrauen nur noch 39 Prozent, Journalisten ganze 29 Prozent. Auf den letzten vier Plätzen landeten Finanzberater und Fußballspieler mit je 14 Prozent, sowie Autoverkäufer mit zehn Prozent und als Schlusslicht die Politiker mit sieben Prozent. Die neueste Forsa-Umfrage kommt zu einem weitgehend gleichen Ergebnis.
Auch wenn gegen die Befragung, zum Beispiel der Auswahl der Berufe, vielleicht das eine oder andere einzuwenden ist, so zeigt sie doch, dass Menschen bei uns einen gesunden Instinkt besitzen: Sie schenken denjenigen Berufsvertretern das größte Vertrauen, die, wenn sie gebraucht werden, für sie auch da sind. Darüber, dass die Politiker mittlerweile das gleiche Vertrauensimage haben wie die Autoverkäufer, habe ich lange nachgedacht. Vielleicht sollten Politiker dies auch mal tun.
Agieren
Neben Reden und Verschweigen spielt auch Handeln eine Rolle, wobei dieses Handeln mehr ein taktisches Agieren ist. Hierzu werden Moratorien erlassen sowie Untersuchungs- und Ethikkommissionen eingesetzt. Dies alles soll in der Öffentlichkeit den Eindruck erwecken, dass etwas geschieht, dass der Staat nicht einfach nur handelt, sondern für uns Bürger auch Verantwortung zeigt.
Am 14. März 2011, drei Tage nach der Katastrophe in Fukushima, wurde ein dreimonatiges Moratorium bekannt gegeben, das die nur viereinhalb Monate zuvor für unsere AKWs beschlossene Laufzeitverlängerung wieder
außer Kraft setzte. Gleichzeitig wurden sämtliche deutsche Kernkraftwerke einem Stresstest unterzogen.
Die Reaktorsicherheitskommission (RSK) stellte in ihrem am 17. Mai 2011 in Berlin abgegebenen Bericht fest, dass keiner der siebzehn deutschen Atommeiler gegen Abstürze großer Flugzeuge geschützt und fünf ältere nicht einmal gegen den Absturz eines kleineren Flugzeugs gesichert seien, was allerdings längst bekannt war. Eine klare Empfehlung für die Abschaltung der AKWs gaben die Experten nicht, aber der Vorsitzende der Expertenkommission, Professor Rudolf Wieland, stellte fest, dass die deutschen Atommeiler im Vergleich mit Fukushima robuster seien, was – mit anderen Worten – wohl sicherer heißen soll.
Da sich solche Kommissionen aus hochkarätigen Experten zusammensetzen und über Experten die unterschiedlichsten Meinungen in der Bevölkerung herrschen, will ich kurz auf die Frage eingehen, was ein Experte eigentlich ist.
Ein Experte ist ein Fachmann, der sehr viel von dem versteht, was er macht, also sein Arbeitsgebiet überblickt. Leider überblickt er nicht sehr viel, sein Gesichtsfeld beträgt nur wenige Grad. Man nennt das einen Tunnelblick. Und weil Experten ein zwar tiefes aber eben nur eingeengtes Wissen haben, braucht man zur Lösung eines Problems meist auch sehr viele Experten und kommt bei Expertenkommissionen nur langsam voran.
Experten sind Menschen, die Löcher bohren und nichts schöner finden, als immer tiefer in unbekanntes Terrain vorzudringen und Neues zu entdecken. Das ist interessant und kann auch wichtig sein, ist aber nur ein winziger Ausschnitt der Wirklichkeit. Dieser Gewinn hat allerdings
auch seinen Preis, denn durch das Herauslösen und
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