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Die Risikoluege

Die Risikoluege

Titel: Die Risikoluege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Heilmann
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separierte Betrachten von Teilen eines Ganzen werden Wechselwirkungen mit der Umgebung vernachlässigt, was immer einen Verlust an Genauigkeit und Realität bedeutet.
    Gegen dieses Prinzip, aus der Wirklichkeit Teilaspekte zu isolieren und sie dann zu analysieren, richtet sich auch die Kritik. Denn die Welt, wie der in Kalifornien tätige Physiker Fritjof Capra betont, ist mehr als die Summe ihrer Teile, weswegen es darauf ankomme, den komplexen Zusammenhang der Teile innerhalb des Ganzen zu verstehen.
    Nach der Reaktorsicherheitskommission ließ die Kanzlerin weitere Experten in Aktion treten, diesmal in einer Ethikkommission, die klären sollte, ob Atomenergie in Deutschland ethisch verantwortbar ist. Damit wollte man zeigen, dass man über einen deutschen Ausstieg aus der Atomenergie nicht entscheiden wolle, ohne zuvor Kommissionen aus Experten und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens befragt zu haben. Dies wurde von vielen mit Recht als reine Augenwischerei betrachtet. Die Gruppe war so zusammengesetzt, dass sie die Gesellschaft der Bundesrepublik als Ganzes repräsentieren sollte: Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft sowie drei christliche Vertreter, jedoch keine Vertreter von Umweltorganisationen. Ihr Anliegen scheint mit Ethik nichts zu tun zu haben.
    Bei Ethikkommissionen treten die ausgewählten Persönlichkeiten wie die Kardinäle bei der Papstwahl hinter verschlossenen Türen zusammen und beraten so lange, bis sie zu einem Ergebnis gekommen sind. Am Schluss werden Entscheidungen durch Mehrheitsbeschluss, also Handaufheben, gefällt und Rauch steigt auf. Er ist selten
weiß, meist grau, was anzeigt, dass man einen Kompromiss gefunden hat.
    Kompromisse sind gut, weil sie zeigen, dass die Teilnehmer mit sich gerungen haben, und sie sind im Gegensatz zu eindeutigen Voten unverdächtig, weil sie dem Verdacht entgegenwirken, die Kommission sei so zusammengestellt worden, dass herauskommt, was der Initiator sich von ihr erwartet hat.

12
Informieren, Schockieren, Unterhalten
    Die Rolle der Medien

    Worin liegt für die Medien eigentlich die Schwierigkeit, über Technik, technische Risiken und industrielle Zwischenfälle so zu berichten, dass dem Bürger die Dimension des Berichteten begreifbar, das wirkliche Ausmaß einer Gefährdung erkennbar wird? Ich glaube, dass sich bei der Informationsvermittlung durch die Massenmedien vor allem drei Dinge verhängnisvoll auswirken: der Hang zum Sensationellen, die Inkompetenz in der Sache und die Lust an der Unterhaltung.
    Informieren
    Immer wieder wird die Frage gestellt, ob die Medien mit ihren Informationen auf das Risikoempfinden der Bevölkerung und damit auf die individuelle Risikobewertung Einfluss nehmen, auch, ob sie damit eine gewisse Macht ausüben.
    Einfluss haben sie, auch wenn sich dieser am Einzelnen sehr unterschiedlich auswirkt, themengebunden ist und auch von seinem Bildungsgrad und sozialen Status abhängt. Und damit von den Medien, mit denen er sich
informiert – ob mit Süddeutsche Zeitung, Bunte oder Der Spiegel, ob mit ARD oder RTL.
    Das Empfinden von Risiken und der ihnen zugrundeliegenden Gefahren ist ja etwas Individuelles. Jeder von uns hat sein eigenes Risikoempfinden, das weniger auf Fakten und Argumenten beruht – und somit durch solche auch nicht beeinflusst werden kann –, als vielmehr auf Hoffungen und Ängsten, Glauben, Wunschvorstellungen und Ähnlichem. Nachrichten, die die persönlichen Empfindungen bestätigen, werden positiv aufgenommen. Die, die es nicht tun, werden abgelehnt.
    Wenn also festzustellen ist, dass die Medien auf die Risikowahrnehmung und Gefahreneinschätzung der Menschen Einfluss haben, so ergibt sich daraus die Frage, ob sie auch Macht haben. Zwar haben die Medien keinen eigentlichen Auftrag, der darin besteht, Technik, Wirtschaft oder Politik zu kontrollieren. Aber daraus, dass sie beobachten und recherchieren, mitteilen und transparent machen, ergibt sich gewissermaßen als Folge journalistischer Tätigkeit eine mit Macht vergleichbare Einflussnahme.
    Daran schließt sich sogleich die Frage an, ob dies richtig ist. Ob die Medien uns nicht mehr nützen würden, wenn sie nur informierten, statt auch noch zu kommentieren.
    Rudolf Walter Leonhardt, einer der großen deutschen Journalisten, nennt in seinem Buch Journalismus und Wahrheit seinen Beruf die »als Handwerk betriebene Kunst, Ereignisse des Tages einem großen Kreis von Interessierten bekannt zu machen und zu erklären«.

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