Die riskante Affaere
fiel auf, dass sie heute kein Parfüm aufgelegt hatte. Sie roch nur nach Seife und Haut. Und unerträglich erotisch. »Haben Sie es eilig?«
»Die Uhr tickt.«
Er schlenderte nach nebenan. Nachdem Ally einen Moment mit sich gerungen hatte, folgte sie ihm, blieb jedoch auf der Schwelle stehen. Es war ein kleines Schlafzimmer. Klein allerdings nur, weil das Bett zwei Drittel des Raumes einnahm. Ein schwarzes Bett, mit den Maßen eines mittelgroßen Swimmingpools.
Ally schaute an die Decke und stellte regelrecht enttäuscht fest, dass da kein Spiegel war.
»Zu offensichtlich«, sagte Jonah, als hätte er ihre Gedanken erraten.
»Das Bett selbst sagt schon alles. Überdeutlich.«
»Zumindest zeugt es nicht von Eitelkeit.«
»Hm.« Sie schaute sich in dem Raum um. An den Wänden hing eine Anzahl gerahmter Schwarz-Weiß-Fotos. Nachtszenen in allen Variationen, fotografiert von unterschiedlichen Künstlern.
Als sie ein paar der Fotos wiedererkannte, verzog sie die Lippen. Dann hatte der Mann also nicht nur künstlerischen Sachverstand, sondern obendrein auch noch ein bisschen Geschmack.
»Das habe ich auch.« Sie deutete auf ein Foto, auf dem ein alter Mann, den ramponierten Strohhut überm Gesicht, eine Papiertüte in der Hand, auf einer alten, von Rissen durchzogenen Betonveranda schlief. »Shade Colby. Ich liebe seine Arbeiten.«
»Geht mir genauso. Und die seiner Frau Bryan Mitchell auch. Das Foto da drüben stammt von ihr. Das alte Paar, das Händchen haltend auf der Bank an der Bushaltestelle sitzt.«
»Was für ein Gegensatz, Verzweiflung und Hoffnung.«
»Das Leben hält beides zur Genüge bereit.«
»Offensichtlich.«
Jetzt beschloss sie doch, das Zimmer zu betreten. Da waren ein Schrank und eine Tür, hinter der sich wahrscheinlich das Bad befand. Ihr fiel ein, was Lydia Carson über sexuelle Schwingungen gesagt hatte. Oh ja, in diesem Zimmer gab es eine Menge davon.
»Und was ist da drüben?« Ally zeigte mit dem Daumen auf eine dritte Tür. Statt einer Antwort forderte Jonah sie mit einer ausladenden Handbewegung auf, selbst nachzusehen.
Nachdem sie die Tür geöffnet hatte, gab sie einen beifälligen Laut von sich. »So, jetzt können wir reden. Das ist ja wirklich eine kleine Schatzkammer, Blackhawk.« Der mit allen Schikanen ausgestattete Fitnessraum war in ihren Augen wesentlich interessanter als die schwarze Spielwiese.
Jonah beobachtete, wie sie mit den Fingern über Geräte strich, herumliegende Hanteln stemmte und wieder ablegte und beim Umherwandern gedankenverloren eine Armpresse zusammendrückte. Sehr aufschlussreich, dass sie für das Bett nur eine spöttische Bemerkung übrig gehabt hatte, während sie beim Anblick seines privaten Sportcenters glänzende Augen bekam.
»Eine Sauna haben Sie auch?« Neiderfüllt drückte sie sich an dem kleinen Fenster in der Holztür die Nase platt.
»Wollen Sie sie ausprobieren?«
Sie wandte den Kopf und schaute in seine Richtung. Jetzt war der spöttische Ausdruck wieder da. »Das kommt mir alles ziemlich übertrieben vor, wenn man von hier aus nicht länger als zwei Minuten bis zum nächsten Fitnessclub braucht.«
»In einem Fitnessclub muss man zuerst einmal Mitglied werden. Damit fängt es an. Die zweite Schwierigkeit ist, dass es dort feste Öffnungszeiten gibt. Außerdem trainiere ich nicht gern an fremden Geräten.«
»Und ein weiteres Problem scheint mir, dass Sie eigen sind, Blackhawk.«
»Richtig erkannt.« Er entnahm einem kleinen Kühlschrank mit Glasfront eine Flasche Mineralwasser. »Wollen Sie?«
»Nein.« Sie legte die Hantel zurück. »Danke für die Führung. So, jetzt die Kassetten, Blackhawk.«
»Ja, die Uhr tickt.« Er schraubte die Flasche auf, trank beiläufig einen Schluck. »Wissen Sie, warum ich gern nachts arbeite, Detective?«
Sie schaute vielsagend zum Bett, dann wieder zu ihm. »Oh, ich glaube, ich kann es erraten.«
»Nun, das auch, aber meine Lieblingszeit ist drei Uhr morgens. Für Leute, die an Schlaflosigkeit leiden, meist der Horror. Weil es genau die Zeit ist, in der sie aufwachen und anfangen, sich Sorgen zu machen – über das, was sie am Vortag getan oder nicht getan haben, und was sie am nächsten Tag tun werden und was nicht. Sie wälzen sich im Bett, und ihre Gedanken drehen sich im Kreis, Nacht für Nacht, bis das Leben vorbei ist.«
»Sie zerbrechen sich nie den Kopf über das, was gestern war und morgen vielleicht sein wird?«
»Nein, ich finde, man sollte ausschließlich in der Gegenwart
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