Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov
Brand gesteckt. Wenn die Telekinese also scheiterte, würden wir noch schneller sterben, als die Außerirdischen das geplant hatten.
Das kleine Licht im Schrank verlosch. Im selben Moment sahen wir, dass die Dynamitstangen verschwunden waren. An ihrer Stelle lagen Brotlaibe, Eier, eine Packung Schokoriegel und eine Halbliterflasche, die eine gelbe, nach Speiseöl aussehende Flüssigkeit enthielt.
»Hurra!«, jubelte Timur erstaunt und triumphierend zugleich.
Chris trat an den Schrank heran, griff nach den Schokoriegeln und hielt sie uns hin.
»Langt zu. Die haben wir uns verdient, oder?«, rief er breit grinsend.
»Auf einer der fremdplanetarischen Müllkippen hat es jetzt ordentlich geknallt«, sagte Timur und wickelte seinen Riegel aus. »Opfer gibt es wohl keine, mal abgesehen von ein paar fremdplanetarischen Katzen.«
Ich kicherte. »Wir konnten ja schließlich nicht wissen, wo das Dynamit hochgeht.«
»Eben«, bestätigte Timur. »Du brauchst dich gar nicht zu rechtfertigen, deine Idee zu dieser kleinen Sabotageaktion war wirklich ausgezeichnet. Selbst wenn es nur ihre Katzen erwischt hat.«
Ein Schrei, der aus dem Thronsaal zu uns herüber drang, unterbrach unser Gespräch. Ich ließ den Schokoriegel, den ich noch nicht einmal angebissen hatte, fallen und rannte zur Tür, mit nur einem einzigen Gedanken im Sinn: Das Spiel ist aus.
In die mitternächtlich dunklen Fenster ergoss sich mit einem Mal gleißendes Licht.
Vierter Teil
Die Ritter und die Außerirdischen
1
DIE MASKE FÄLLT
Den Schrei hatte Rita ausgestoßen. Mit den Händen auf das Sims gestützt, stand sie am Fenster und starrte durch die milchige, vereiste Scheibe. Noch keiner der Jungen hatte sich vom Fleck gerührt, nur Tolik hatte sein Schwert gezogen.
Mit einem Satz stürzte ich zum nächstgelegenen Fenster. Durch die zugefrorenen, trüben Scheiben flutete mitten in der Nacht grelles Sonnenlicht in den Thronsaal. Da sich der Riegel nicht öffnen ließ, schlug ich mit dem Ellenbogen gegen das Fensterglas, das, zusammengehalten durch eine dicke Eiskruste, in wenige große Stücke zersprang. Ein zweiter Schlag mit dem Schwertgriff zerbrach den silbrig schimmernden Panzer. Klirrend flogen die Scherben aus dem Rahmen nach draußen, wo sie beinahe lautlos im Schnee landeten.
Im Westen ging die Sonne auf.
Chris’ Finger krallten sich in meine Schulter. Timur stieß pausenlos wüste Flüche aus, und ich hatte den Eindruck, dass ihm bereits etwas klar geworden war, was wir noch nicht einmal ahnten.
Mit atemberaubender Geschwindigkeit stieg die Sonnenscheibe am westlichen Horizont aus dem Meer. In einem schmalen Streifen rasten niedrige schwarze Regenwolken über den Himmel. Mit ebenso irrwitzigem Tempo folgten ihnen wie ein Schwarm aufgescheuchter Vögel flaumige weiße Wölkchen. Dann legte sich, wie aus
dem Nichts, auf einmal dichter Nebel über den Himmel, der sich allerdings in Sekundenschnelle unter den Strahlen des im Zenit verharrenden Himmelskörpers wieder auflöste.
Wie auf Kommando stürmten wir alle aus dem Raum und die Treppe hinauf zum Wehrgang, wo wir, einer neben dem anderen über die Brüstung gebeugt, das Schauspiel verfolgten. An meiner linken Seite spürte ich den warmen Körper von Inga, die ganz nah bei mir stand und sich an meine Schulter drängte.
Die Sonnenscheibe am Himmel schien zu schwanken und veränderte dabei ihre Farbe. Wahrscheinlich war dies der schönste Anblick, der sich uns jemals auf den Inseln geboten hatte. Über der schneebedeckten Ebene und den in Schneewehen versunkenen Burgen, über uns in dicke Kleidung gepackte Jungen und Mädchen erstrahlte eine riesige pulsierende Sonne, wie man sie noch nie gesehen hatte und auch nie für möglich gehalten hätte. Sie blähte sich zu einem unwirklichen Ball auf, der den halben Himmel ausfüllte, und nahm die dunkle glutrote Farbe eines niederbrennenden Kaminfeuers an. Kurz darauf schrumpfte der Ball wieder zusammen, wurde flirrend hell und schleuderte wie ein Flammenwerfer blendende Lichtstrahlen auf die Inseln herab, sodass die Schneedecke augenblicklich zu tauen begann und sich in glitzernden, porösen Firn verwandelte.
Die apokalyptischen Lichtspiele am Himmel waren mindestens ebenso furchteinflößend wie bezaubernd. Dennoch empfand ich keinerlei Angst, sondern musste daran denken, dass ich ein ähnliches Spektakel schon einmal gesehen hatte. In jener Nacht, als wir auf dem vom Sturm aufgewühlten Meer unterwegs gewesen
und dem Klipper des
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