Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov
die Rotschildler! Vorwärts, Genka, hau zu!«, schrien die Feinde immer fanatischer.
Allmählich verließen Chris die Kräfte. Seine Finger wurden taub und konnten den schweißnassen Schwertgriff nur noch mit Mühe halten.
»Genka! Genka! Genka!«, johlte das feindliche Publikum.
Chris stemmte sein Schwert gegen einen auf ihn herabzischenden Schlag von Genka, dessen Klinge Funken sprühend an seiner Schwertschneide entlangschrammte und ihn mit kaum gebremster Wucht in den Unterarm traf. Eine klebrige Wärme umfloss Chris’ Hand, während brennender Schmerz in ihm aufstieg und sein Schwert zu Boden fiel. Rasch hob er es mit der Linken auf und wich, praktisch kampfunfähig, zurück. Damit war sein Ende besiegelt.
Zu Chris’ Überraschung hielt Genka inne. Was sollte das bedeuten? Würde er ihn womöglich verschonen, so wie Dima das zurückgebliebene Mädchen von der Nr. 24 vor einiger Zeit verschont hatte?
»Hey, ihr Küken«, plärrte Genka, sich zu den Seinen umwendend. »Wer gibt ihm den Rest? Vielleicht du, Inga?«
Inga hatte sich noch nicht von der Stelle gerührt, doch Chris wusste sofort, dass sie das Mädchen von damals war. Das war auch der Grund dafür, dass sie Genka nicht angefeuert hatte. Langsam und unsicher ging das Mädchen auf Chris zu, der einfach ruhig stehen blieb.
»Ihr Schwert ist aus Holz!«, platzte Meloman im Rücken
von Chris heraus, als Inga auf der Höhe von Genka angekommen war.
Alle hatten es hören können, auch die Feinde, und natürlich auch Inga, die jetzt unvermittelt herumfuhr und sich Genka zuwandte.
»Verteidige dich!«, fauchte sie ihn an. Gegenüber dem muskulösen Genka sah das vierzehnjährige Mädchen mit den dunklen Haaren und großen Augen noch zerbrechlicher aus als zuvor. Ihr »Verteidige dich« klang eher flehentlich als drohend.
»Du Miststück!«, polterte Genka. »Dann stimmt es also …«
Er stieß einen unflätigen, garstigen Fluch aus, wie es Chris bei seinen Leuten niemals geduldet hätte, und holte zu einem gewaltigen Schlag aus, mit dem er auch einen Erwachsenen in der Mitte hätte durchhauen können.
Doch er war zu langsam. Inga hatte ihr Schwert zwar etwas ungelenk und mit beiden Händen, aber flink nach vorn gestoßen und es ihm in den Leib gerammt.
Mit beiden Händen umfasste Genka die in seinem Bauch steckende Klinge und sah das kleine Mädchen mit entgeistert rollenden Augen an. Inga wurde blass und machte einige Schritte rückwärts, wobei sie Genka das blutüberströmte Schwert aus dem Bauch zog und ihm die Hände zerschnitt.
»Verdammtes Luder! Bringt sie beide um!«, schnaubte Genka mit heiserer, brechender Stimme und sank auf die Knie.
Inga stieß rücklings gegen Chris und erstarrte. Noch immer hielt sie krampfhaft das nach vorn gestreckte Schwert in der Hand, starrte mit weit aufgerissenen Augen zu dem schwer getroffenen Hünen hinüber und zitterte
am ganzen Leib. Chris umfasste sie mit seinem blutverschmierten rechten Arm.
»Du weißt, dass ein Überläufer nicht mehr auf die Erde zurückkehren kann, auch wenn seine Insel den Sieg erringt?«, fragte Chris.
»Was? … Ja, weiß ich«, erwiderte Inga und sackte im gleichen Augenblick in sich zusammen. Kraftlos fiel sie in Chris’ Arm, aus dessen Wunde ein pulsierender, bohrender Schmerz schoss und seinen ganzen Körper durchfuhr.
»Kommt, ziehen wir uns zurück«, zischte Chris mit zusammengebissenen Zähnen und schleifte Inga zusammen mit Meloman, der ihm zu Hilfe geeilt war, davon.
Zurück blieb der auf dem Boden zusammengekrümmte Genka, dessen Gefährten so verdutzt waren, dass sie bis zuletzt unfähig waren, sich zu rühren, geschweige denn irgendetwas zu unternehmen. Erst jetzt kümmerten sie sich um ihren übel zugerichteten Anführer und schleppten ihn von dannen.
2
DIE ENTTARNUNG
Dass ich nach meiner Ankunft auf der Insel ein ebenso dummes Gesicht gemacht haben soll wie Tom, halte ich für ein böswilliges Gerücht. Den Namen unseres Neuankömmlings zu erfahren, erwies sich als äußerst zähes Unterfangen. Erst nachdem wir einige Dutzend Male gebetsmühlenhaft »What is your name ? « wiederholt hatten und uns schon völlig albern vorkamen, verriet er uns schließlich, dass er Tom hieß.
Als wir ihn in die Burg führen wollten, blieb er bockig stehen und weigerte sich hineinzugehen. Wir konnten also nichts anderes tun, als Tom draußen vor der Burg mit unserem katastrophal schlechten Englisch zu malträtieren. Rita wusste zwar einige Wörter mehr als wir anderen,
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