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Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov

Titel: Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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da sie viel Zeit mit Chris verbrachte, dennoch gelang es auch ihr nicht, Tom über seine Situation ins Bild zu setzen. Der schwieg entweder oder begann so hastig und verworren zu sprechen, dass wir nicht ein Wort verstanden. Außerdem kniff er sich ständig in den Arm und rieb sich immer wieder die Augen. Einerseits hatte ich ja ein wenig Mitleid mit ihm, denn ich erinnerte mich noch sehr genau, wie man sich in dieser Lage fühlte, andererseits war sein übertrieben misstrauisches und ungläubiges Verhalten zum Schreien komisch, und wenn er so weitermachte, würde er bis zum Abend mit knallroten Augen und von blauen Flecken übersät durch die Gegend laufen.

    »Was ist denn hier los? Haben wir Verstärkung bekommen?«
    Wie auf Kommando reckten wir alle gleichzeitig die Köpfe. Auf der Südbrücke stand, lässig aufs Geländer gestützt, Chris und sah grinsend zu uns herab. Er hatte sich bis zum Gürtel ausgezogen, und als ich das um seinen rechten Arm gewickelte, blutverquollene T-Shirt sah, wurde mir klar, dass er das nicht getan hatte, um knackig braun zu werden. Als Rita Chris’ Verwundung bemerkte, schüttelte sie vorwurfsvoll den Kopf, stieß einen gedehnten Seufzer aus und lief zum Burgtor. Eilig folgte ich ihr, denn wenn Meloman allein auf der Brücke zurückgeblieben war, musste ihm schleunigst jemand zu Hilfe kommen. Die Seelenruhe, mit der Chris über der Balustrade lehnte, ließ allerdings nicht vermuten, dass Meloman in großer Gefahr schwebte.
    Rita machte sich sogleich daran, Chris’ Wunde zu verbinden. Wo sie auf einmal Verbandszeug und Wundsalbe hergezogen hatte, war mir ein Rätsel. Schleppte sie die Sachen etwa ständig in der Tasche ihres Kleides mit sich herum?
    »Soll ich zur Südbrücke rauf?«, fragte ich, als ich bei den beiden ankam.
    Chris zuckte mit den Achseln. »Wie du willst. Meloman schafft das aber auch allein, die Feinde haben sich schon verzogen«, erwiderte er betont lässig und warf mir einen eigenartigen Blick zu, der einerseits ein wenig spöttisch war, als amüsierte er sich über meinen Eifer, andererseits aber auch anerkennend, als hätte ich etwas für mein Alter Außergewöhnliches vollbracht.
    »Wir haben einen Neuen«, sagte ich.
    Chris nickte.

    »Ein Engländer oder Amerikaner«, ergänzte ich.
    Unser Anführer war bester Laune. »Gleich zwei an einem Tag? Nicht schlecht!«, sagte er munter. »Rita, beeil dich mit dem Verbinden.«
    »Warum zwei?«, erkundigte sich Rita, während sie den Verband fixierte. »Zählen englischsprachige Kämpfer im Gefecht neuerdings doppelt?«
    Chris lachte laut auf und zog seine Hand zurück. Mit der freien Linken und mit den Zähnen begann er den Verband fester zu ziehen. »Zu lasch gebunden, Rita. Der Verband muss völlig straff sitzen, dann zieht die Salbe schneller ein«, moserte er, bevor er auf Ritas Frage einging. »Im Gefecht sind alle gleich, sogar manche Mädchen können gut kämpfen. Wenn Sie die Güte hätten, sich mal dorthin umzusehen, Miss Spitze-Zunge«, sagte er ironisch und deutete mit dem Daumen hinter sich.
    Rita und ich drehten synchron die Köpfe. Ich spürte, wie mein Gesicht sich unwillkürlich zu einem breiten, glücklichen Lächeln auseinanderzog; auf dem Sims eines der auf den Wehrgang hinausführenden Fenster hockte Inga und sah mich unverwandt an, während sie mit beiden Händen ihre zerzausten Haare in Ordnung brachte.
    »Du?«, stammelte ich.
    »Nein, mein Schatten.«
    »Kennt ihr euch?«, fragte Rita erstaunt.
    »Ähm … tja, also...«, druckste ich verlegen herum, denn wir hatten ja ausgemacht, unsere Bekanntschaft geheim zu halten.
    Da schaltete sich Chris ein. »Ihre erste Frage war, ob dir etwas passiert sei, Dima.«
    Inga lief feuerrot an.
    Rita kümmerte sich nicht weiter darum. »Dann hast
du also wirklich beschlossen, von der anderen Insel zu uns zu wechseln?«, fragte sie, und ihre Stimme klang ungläubig.
    Chris war inzwischen zur Treppe gegangen. Im Hinuntergehen rief er: »Rita, darüber, dass die beiden sich kennen, sprechen wir besser nicht, okay?«
    Rita nickte schweigend und ging zu Inga hinüber.
    »Bist du verletzt?«
    Ingas hellgelbe Bluse war mit eingetrockneten rotbraunen Flecken durchwirkt.
    »Nein, das ist nicht mein Blut.«
    Ich kam mir etwas überflüssig vor, denn die beiden Mädchen ignorierten meine Anwesenheit vollständig. Wie zwei alte Freundinnen standen sie beieinander und steckten die Köpfe zusammen.
    »Du wirst sehen, auf unserer Insel ist es sehr schön. Wir sind vier

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