Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov
Augen auf und warne uns, wenn du jemanden siehst«, rief ich ihr zu, während ich mit einem Schnitt das straff gespannte Tau unseres selbst gebauten Ankers kappte, der ohnehin nur ein besserer Angelhaken war und uns bisher nicht viel genützt hatte. Mir war klar, dass jede Sekunde zählte, denn Timur war nicht der Typ, der grundlos in Panik verfiel.
Zu dritt schleppten wir die Aliens Nightmare in die brodelnde Suppe aus Wasser, Schaum und vom Grund aufgewirbeltem Sand. Kaum hatte das Boot die ersten Wellen unter dem Kiel, begann es heftig zu schwanken und drehte sich mit der Breitseite in den Wind. Bis über die Hüfte im Wasser watend, konnten wir nur mit vereinten Kräften verhindern, dass die Brandung uns das Boot aus den Händen riss und es wieder zurück an den Strand warf.
»Inga!«
Wie gebannt ins Gebüsch starrend, lief Inga langsam rückwärts ins Wasser. Als sie mit dem Rücken gegen meine Schulter stieß, sagte sie leise: »Dima, dort ist jemand. Ich hab’s genau gesehen.«
Das Boot lag in diesem Moment zwischen zwei Wellen einigermaßen ruhig, daher packte ich Inga unter den Knien und um die Schulter und hob sie über die Bordwand an Deck. Sie war so perplex, dass sie nicht einmal protestieren konnte.
Als ich selbst an Bord geklettert war, stand Tom bereits hinter dem Steuerrad, und Timur zog mit wirbelnden Händen an der Leine, um das Segel zu setzen.
»Tim, warte«, rief ich ihm zu und schob mich, gegen den Sturm ankämpfend, zu ihm hinüber. »Das bringt nichts, der Wind ist zu stark.«
Timur fuhr zu mir herum und durchbohrte mich mit weit aufgerissenen Augen.
»Hilf mir gefälligst!«, brüllte er mir ins Ohr. »Wir kommen sonst nicht lebend von hier weg. Mach schon!«
Stöhnend vor Anstrengung, befestigten wir das heftig schlagende Segel mit den Schoten.
Tom hatte keine Chance, das Steuerrad zu halten. Die Aliens Nightmare trieb führungslos am Ufer entlang und entfernte sich dabei nur quälend langsam von der Insel, während ein Brecher nach dem anderen über die Bordwand schwappte. Ohne die von Tom akribisch abgedichtete Deckbeplankung wäre das Schiff längst vollgelaufen und gesunken.
Nachdem das Segel fixiert war, krochen Timur und ich auf allen vieren zur Kajüte. Dort hatte sich Inga an die Bretterwand gekauert, um nicht von einer Welle über Bord gespült zu werden.
»Alles in Ordnung?«, fragte sie, als wir völlig außer Atem bei ihr ankamen.
Timur machte eine wegwerfende Handbewegung, die allerdings nicht sehr überzeugend geriet, da sich gleichzeitig sein mit Blut und Wasser durchtränkter Verband löste und das Ende der Binde in der Luft wedelte.
»Wir müssen unbedingt deinen Verband wechseln«, rief Inga entsetzt.
»Wozu denn?«, erwiderte Timur stoisch.
Während die schäumenden Wellen pausenlos wie salzige Duschen über uns hereinbrachen, prasselte nun auch noch sintflutartiger Regen auf uns herab.
Inga saß, die Arme um die Beine geschlungen, zwischen mir und Timur. So war die Gefahr, dass sie von Bord gespült wurde, relativ gering. Zusätzlich war Timur die geniale Idee gekommen, sich lang auszustrecken, die Füße gegen den Mast zu stemmen und sich mit der Schulter an der Kajütenwand abzustützen. Ich tat es ihm gleich, denn in dieser Stellung waren wir ziemlich sicher vor den heimtückischen Wasserfontänen, und Inga konnte sich an uns festhalten.
Die Aliens Nightmare hatte sich etwa fünfzig Meter vom Ufer entfernt, aber im Licht der pausenlos aufflammenden Blitze konnten wir noch deutlich die Gemäuer der fremden Burg erkennen.
»Wie konnte ich das nur vergessen«, sagte Timur schuldbewusst. »Die Insel der Tausend Steine.«
»Woher kennst du sie denn?«, fragte ich neugierig.
Timur kam nicht dazu, mir zu antworten. Über der rechten Bordwand, die sich bis zur Wasseroberfläche abgesenkt hatte, erschien im Licht des nächsten Blitzes plötzlich ein menschliches Gesicht, aus dem uns eisige,
hasserfüllte Augen anblickten. Die eine Hand in die Bordwand gekrallt, nach Luft schnappend, hob der Schwimmer die andere Hand aus dem Wasser und holte aus.
»Kopf runter!«, schrie Timur.
Während wir uns so tief wie möglich duckten, kippte das Boot auf die andere Seite, und etwas schoss knapp über unsere Köpfe hinweg und bohrte sich mit einem hämmernden Geräusch in die Bretter.
Vorsichtig drehte ich den Kopf nach oben. In der Kajütenwand steckten drei kleine Stahlscheiben, die bis zur Hälfte ins harte Holz eingedrungen waren. Sie maßen etwa fünf
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