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Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov

Titel: Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Zentimeter im Durchmesser, und ihre Kanten waren scharf wie Rasierklingen.
    Den Dolch in der Hand robbte Timur zur Bordwand, wo er aber niemanden mehr entdeckte. Einen Moment lang verharrte er, dann fuhr er herum und schrie: »Tom! Vorsicht!«
    Wie als Antwort auf seinen Zuruf fiel ein Schuss.
    Und dann noch einer. Und noch einer.
    Hinter der Kajüte konnten wir nicht sehen, was sich am Achterdeck tat, und sich bei diesem Sturm dort hinzuwagen wäre einem Selbstmord gleichgekommen. Sekunden später wurden alle weiteren Geräusche vom ohrenbetäubenden Dröhnen des Donners übertönt.
    Als der Lärm endlich nachließ, in ein Grummeln überging und wir wieder das Prasseln des Regens und das Heulen des Windes vernahmen, schrie Inga verzweifelt: »Tom!«
    »All right!« , antwortete endlich unser Kapitän.
    Die nächste an Deck klatschende Welle nahmen wir überhaupt nicht wahr. An den Mast, an herumhängendes
Takelwerk und ineinandergekrallt, brachen wir in hysterisches Gelächter aus.
    »Guter Junge«, rief Timur erleichtert.
     
    Wir hatten gut daran getan, uns nicht in die Kajüte zu verkriechen. Nachdem wir etwa zwei Stunden durch den Sturm getrieben waren, hielt sie den Böen nicht länger stand und stürzte ein.
    Zuerst barsten die Bretter der Seitenwände, dann stürzte wenig später die ganze Kajüte wie ein Kartenhaus zusammen. Herumfliegende Splitter zerkratzten mir die Schulter.
    Der Wind ließ nicht für einen Augenblick nach. In seiner apokalyptischen Monstrosität hätte dieser Sturm auf den Vierzig Inseln einem Gemälde von Iwan Aiwasowki alle Ehre gemacht. Im Sekundentakt flammten Blitze auf, und um unser Boot herum türmten sich gischtschäumende Wellenkämme empor. Es schien unausweichlich, dass uns früher oder später eines dieser wogenden Wassergebirge unter sich begraben würde. Die Zeit indes verrann, und unser Boot hielt sich verbissen über Wasser. Man hätte meinen können, auf der Aliens Nightmare liege ein geheimnisvoller Zauber. Wie über dem Schiff des Verrückten Kapitäns.
    Bei diesem Gedanken suchte ich unwillkürlich den Horizont ab. Das Wetter war ideal für den Klipper des abtrünnigen Seemanns. Doch vorläufig waren wir allein auf dem Meer.
    Wind und Strömung trieben uns in einer gigantischen Schleife um den gesamten Archipel herum. Dass wir auf diese Weise im Kreis fuhren, wurde mir klar, als ich bemerkte, dass die dunklen Schatten der Inseln immer auf
der Steuerbordseite an uns vorbeizogen, während auf der Backbordseite bis zum Horizont nur offenes Meer lag.
    Wir hatten schon mehrere Inseln passiert, und wenn ich richtig orientiert war, mussten wir in Kürze an der Insel Nr. 4 vorbeikommen. Über den Bretterhaufen unserer ehemaligen Kajüte hinweg spähte ich aufs Achterdeck zu Tom hinüber. Unser Kapitän war schon längst nicht mehr Herr seines Schiffs. Er war nur dort geblieben, weil es reichlich riskant gewesen wäre, in den schweren Orkanböen zu uns nach vorn zu kommen. Das Steuerrad hatte er losgelassen. Wie von Geisterhand bewegt, drehte es sich knarrend hin und her. Als Tom meinen Blick auffing, schüttelte er resigniert den Kopf, wie um mir zu sagen, dass es unmöglich sei, eine der Inseln anzusteuern.
    Wenigstens gingen wir nicht unter!
    Unsere heroische Fahrt glich mehr und mehr einer Parodie. Um uns herum heulte schauerlich der Sturm und jagte ausgefranste Wolkenberge über den Himmel. Grelle Blitze züngelten aufs Meer herab. Die unentwegt heranrollenden Wellenbrecher waren von geradezu biblischem Ausmaß, sodass es kein Wunder gewesen wäre, hätten sie die Burgen mitsamt ihren Bewohnern einfach von den Inseln gespült.
    Trotz des gewaltigen Infernos blieben wir nahezu ungeschoren, wenn man einmal darüber hinwegsah, dass wir im strömenden Regen und den ständig über Bord schwappenden Wellen langsam aufzuweichen begannen. Unter Deck plätscherte Wasser, das an der Stelle in den Schiffsbauch eindrang, wo unsere Kajüte zusammengebrochen war.
    Wenn ich auch nicht viel Ahnung hatte von der Seefahrt, so war eines doch völlig klar: In einem so mörderischen
Orkan wären auch große, moderne Schiffe in Seenot geraten. Unsere Nussschale indes schwamm immer noch. Der Sturm gerierte sich viel schrecklicher, als er in Wirklichkeit war. Das Ganze erinnerte an einen jener indischen Filme, in denen die Gegner eine halbe Stunde lang mit allem, was nicht niet- und nagelfest ist, aufeinander eindreschen und danach unversehrt und allenfalls mit leicht verrutschten Frisuren

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