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Die Rollbahn

Die Rollbahn

Titel: Die Rollbahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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dieses Dogma ein Loch erhalten. Leutnant Vogel versuchte es mit größer Strenge zu flicken, indem er den Feldküchen der Kompanien vorrechnete, was sie mit den zugeteilten Lebensmitteln hätten kochen können und was sie nicht getan hätten.
    Müller III rührte gerade mit seinem langen Holzlöffel in der Suppe aus Dörrgemüse, als die ersten Einschläge der russischen Artillerie den Boden erzittern ließen. Dann heulte und orgelte es durch den Sommerhimmel heran, wurde dunkler und dunkler im Ton … Müller III warf seinen Holzlöffel in den Kessel und sprang seitlich der offenen Scheune in Deckung. Von der Schreibstube her stob Hauptfeldwebel Kunze über die staubende Straße, ohne Uniformrock, im Unterhemd und auf Socken. Er hatte sich gerade gewaschen, um Leutnant Vogel mit der Sauberkeit eines vorbildlichen Soldaten zu empfangen in Verkennung eines anderen markanten Satzes des Bataillons-Adjutanten: »Der deutsche Soldat kann dreckig sein, aber niemals schmutzig!«
    Die Erde riß auf und schrie. Erd- und Staubfontänen verhüllten den Tag … das siebente Haus von Dubrassna begann zu brennen … Ia-Schreiber Simpelmeier rannte mit der Mappe ›Geheim‹ aus der Schreibstube zu einem Schutzgraben und ließ sich mit dem Kopf zuerst hinfallen, weil es über ihm dunkel orgelte und er fast den Luftdruck der heranfauchenden Granate zu spüren glaubte.
    Eng an die Grabenwand gedrückt hockte Kunze und hatte die Arme über seinen Kopf gelegt. So eine Scheiße, fluchte er. Da kommt dieser Vogel und latscht über die Ebene. Die Beobachter des Iwans sehen ihn und hämmern darauf los. Immer das alte Lied – ist es mal ruhig an der Front, kommt so ein Heini und sorgt dafür, daß es rundgeht!
    Neben der Scheune schlug es ein. Die Straße wurde aufgerissen … ein riesiges Loch klaffte im Boden. Die glühenden Splitter surrten durch die Scheune, zerschlugen die noch stehenden Wände und zerhieben den Kessel der Feldküche. Gluckernd lief die Dörrgemüsesuppe aus einem breiten Riß auf die festgestampfte Erde.
    Bei der 5. Kompanie gab es in dieser Nacht kein Essen.
    Zwei Kilometer von Dubrassna entfernt lag Leutnant Vogel mit seinem Fahrer, dem Gefreiten Schmitz, neben dem Kübelwagen auf der Erde und zählte die Einschläge.
    »Es sind mindestens drei Batterien«, stellte er fest.
    Gefreiter Schmitz nahm den Kopf tiefer herunter. Ob drei Batterien oder ein einziges Geschütz, ist mir scheißegal. Er fluchte leise und kroch von dem Kübelwagen weg. Vor einer Stunde hatte er gesagt: »Herr Leutnant – ab der Kreuzung müssen wir zu Fuß gehen. Der Iwan sieht das Stück ein!«
    Leutnant Vogel blickte ihn mit schräg geneigtem Kopf an.
    »Haben Sie Angst, Gefreiter?«
    »Ich bin nur vorsichtig, Herr Leutnant.«
    »Mit Vorsicht wird man kein Held, Gefreiter! Wer sich verkriecht, bekommt kein Ritterkreuz! Sie wollen doch einmal ein Ritterkreuz haben, Gefreiter?«
    »Jawoll!« schrie Willi Schmitz.
    »Sehen Sie! Ich weiß, daß Sie ein guter deutscher Soldat sind!«
    Und sie fuhren über die Kreuzung hinaus in das Einsichtsgebiet der Russen. Ritterkreuz!, dachte Gefreiter Schmitz. Nach Hause will ich, mit gesunden Knochen, und Erna soll mich wieder hochpäppeln. Was habe ich davon, wenn mir so ein Ding am Hals herumbaumelt, und die Leute sagen mit strammem Kreuz und einem sonoren Ton in der Stimme: Aha! Ritterkreuz! Tapfer, tapfer! – Dafür bekam er keine Mark mehr, und er blieb immer der Arbeiter des städtischen Fuhrparks in Köln. Als ob sich der Fuhrparksdirektor darum kümmern würde, ob sein Arbeiter Nr. 16, Schmitz Willi, Köln-Nippes, verheiratet, mit drei Kindern, das Ritterkreuz unter dem Adamsapfel trug.
    In diesem Augenblick krachte es, Schmitz sagte laut »Aha« und schnellte wie eine Katze vom Sitz in den Dreck, rollte sich vom Wagen weg und lag platt wie eine Flunder auf dem Bauch. Neben ihm klatschte Leutnant Vogel auf die Erde, ein wenig bleich geworden, aber mit der Haltung, Vorbild für die Mannschaften zu sein.
    Die sowjetische Artillerie kämmte die Zufahrtsstraße nach Dubrassna ab, tastete sich dann hinüber zu dem Dorf selbst und belegte die armseligen Hütten mit einem gut verteilten Streufeuer.
    Leutnant Vogel beobachtete interessiert das Wandern der Feuerwalze und wollte sich erheben. Auch das noch, dachte Gefreiter Schmitz. Er zog den schon halb auf den Knien liegenden Vogel wieder herunter auf die Erde und zeigte hinüber zu den russischen Linien.
    »Er sieht uns doch!«
    »Na und?«
    »Der Iwan

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