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Die Rollbahn

Die Rollbahn

Titel: Die Rollbahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Minuten stehen Sie feldmarschmäßig mit Stahlhelm vor der Tür!«
    Er ging in sein Zimmer, wusch sich schnell die Hände und das Gesicht, zog über sein zerrissenes und dreckiges Unterhemd die Uniformjacke und knöpfte sie zu. Vor einer Spiegelscherbe kämmte er sich und betrachtete sein etwas dickes Gesicht. Um das Kinn herum war die Haut dunkel gesprenkelt.
    »Mist!« sagte Kunze zu seinem Spiegelbild. »Bei der Hitze wächst der Bart, als wäre er 'ne Treibhauspflanze. Aber ich rasiere mich nicht noch mal! Der Schmitz kommt auch mit Kunzes Stoppeln unter die Erde.«
    Zehn Minuten später trat er, paradefertig, unter dem Stahlhelm schwitzend und pustend, in die Sonne, wo bereits Simpelmeier, Müller III, der gesamte Troß und Leutnant Vogel sich um die in einer Zeltplane eingerollte Leiche des Gefreiten Schmitz versammelt hatten.
    Die Luft war trocken, drückend, glühend. Sie nahm Kunze fast den Atem. Er schnappte nach Luft wie ein auf Land gesetzter Fisch.
    Daß der Kerl auch ausgerechnet an einem solch heißen Tag fallen mußte, dachte Kunze grollend. Er nahm es dem toten Schmitz ehrlich übel und es erfüllte ihn mit Zorn gegen den Toten.
    Leutnant Vogel hatte sein ›markantes Gesicht‹ aufgesetzt. Er setzte es immer auf, wenn es um besonders große Dinge ging. Er schob das Kinn vor, drückte die Backenknochen heraus, schob die Brauen zu Wülsten über den Augen zusammen und war – als er so einmal in einen Spiegel blickte – entsetzt und geradezu himmlisch begeistert über den brutalen und hypermännlichen Eindruck, den sein Gesicht machte.
    Seitdem war dieses ›markante Gesicht‹ sein Festtagsgesicht geworden. Beim Verlesen eines neuen Tagesbefehles des Führers, bei der Rezitation eines neuen Goebbels-Artikels im ›Reich‹ während der Schulung, bei der Vergatterung der Wache (als er in Orscha für eine Woche als Wachoffizier aushelfen mußte) und bei der Besichtigung des Nachschubs durch den Divisionskommandeur.
    Das Begräbnis des für ›Führer und Großdeutschland‹ den Heldentod gestorbenen Gefreiten Schmitz war ein verstärkter Anlaß für das ›markante Gesicht‹. Es spielte dabei keine Rolle, daß der Gefreite Schmitz aus Köln gar nicht sterben wollte und daß er nach seiner Frau schreiend mit heraushängenden Gedärmen elend krepierte, den Blick zur glutenden Sonne gehoben, die er wie durch einen Schleier sah, bis sie dunkler und dunkler wurde und schließlich als schwarzer riesiger Ball auf ihn herabstürzte.
    »Leute«, sagte Leutnant Vogel. Er überblickte die kleine Kolonne, die in strammer Haltung um den flachen Haufen Fleisch in der Zeltbahn stand. Er sagte Leute, jovial, kameradschaftlich, denn das große Erlebnis des Krieges und des Todes verbindet innerlich und macht fast zu Brüdern. »Leute –«, seine Stimme flatterte vor Ergriffenheit und der Erkenntnis, welch ein Beispiel er heute gab –, »wir stehen hier vor einem gefallenen Kameraden! Vor einem Helden des Führers! Vor einem Beispiel für uns alle: Treue bis über den Tod hinaus! Es ist der alte preußische Geist, der schon die Männer des Alten Fritz beseelte, als sie bei Roßbach und Hochkirch ohne den Blick zurückzuwenden in den Tod marschierten! Unser Kamerad Schmitz war solch ein Held der Nation. Er starb in treuester Pflichterfüllung … er starb wie ein Held, klaglos und sich bewußt, daß sein Tod mithilft, das Leben Deutschlands zu sichern.«
    Kunze leckte den Schweiß auf, der unter dem Stahlhelm über seine Stirn auf die Nase tropfte und von dort zum Mund rann. Der hat ganz schön gebrüllt, ehe er starb, dachte er. Na ja – man muß aus Gründen der Disziplin die Tatsachen etwas frisieren und schminken. Leutnant Vogel atmete tief auf, seine Stimme war hell und hart, markant wie sein Gesicht mit dem vorgeschobenen Kinn und den bebenden Backenknochen.
    »Wir übergeben unseren Kameraden der russischen Erde! Und hier wird er einen Ehrenplatz haben, denn auf seinem Grab wird einmal ein Kreuz stehen und Blumen blühen, wenn wir Rußland erobert haben und das Deutsche Reich von der Nordsee bis zum Eismeer, von der Ostsee bis zum Kaspischen Meer reicht!« Seine Stimme schwankte wieder. Die Größe der Zeit, die er jetzt vertrat, erschütterte ihn. »Dann werden einmal junge Mädchen an seinem Grabe stehen und es schmücken und sagen: Hier liegt ein deutscher Held!« Er straffte sich noch um einen Bruchteil, der möglich war, und ließ die Hand emporschnellen. »Unserem Führer und seinem Schicksalskampf ein

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