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Die Rollbahn

Die Rollbahn

Titel: Die Rollbahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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freie Stunde vom Lazarett Sczynno hinüber zum Gut der Rehmdes pendele und wie ein läufiger Hund um das Herrenhaus kreise … ich sehe sie wieder. Ich muß sie wiedersehen … irgendwo habe ich innerlich bei ihrem Anblick einen Knacks bekommen. Als Mediziner würde ich sagen: Es ist das Herz! Aber das stimmt nicht … es ist der ganze Körper, der ganze Blutkreislauf, der ganze Kerl Walter Heinrich, dem das Atmen schwerer wird, wenn er an Elsbeth Holzer denkt. Verflucht noch mal, daß man sich inmitten eines solchen Scheißdrecks von Krieg auch noch so wild verlieben muß!
    Es ist eben alles verdreht auf der Erde, und man müßte, wie Diogenes, die Vernunft mit der Laterne suchen.
    Im Nachschublager von Nasielsk erwartete ihn der Feldwebel.
    »Junge, wo steckst du bloß? Aus Sczynno haben sie dreimal angerufen.«
    »Ich habe Urlaub bis zum Abend.«
    »Mist haste! Hier –« Der Feldwebel schob ihm einen Zettel zu. Heinrich las und zerknüllte ihn.
    »Sofort zum Lazarett zurückkommen. Zwei Transporte aus Borissow und Baranowitschi angesagt.«
    »Das stinkt«, stellte der Feldwebel sachlich fest. »Die räumen die Feldlazarette und machen Platz für die große Welle. Es stinkt gewaltig an der HKL.«
    Sanitäts-Unteroffizier Heinrich zwang sich, seine Gedanken an Elsbeth abzuschalten. Es war Krieg. In Sczynno kamen neue Verletzte an … stöhnend, verbunden mit Papierbinden, notdürftig zusammengeflickt. Und trotz Schmerzen, Eiter und zerfetzten Gliedern stand in ihren Augen ein erschütternder Glanz und eine fanatische Freude: Wir kommen in die Heimat! Wir kommen zurück! Der Krieg ist für uns zu Ende … Wir kommen nach Hause. Nach Hause! Kamerad, alter Junge, verlaustes Frontschwein – wir werden die Mutti wiedersehen und leckere Karbolmäuschen im Heimatlazarett. Und der ganze Krieg kann uns kreuzweise.
    Walter Heinrich nahm die Transportpapiere, die ihm der Feldwebel zuschob. »Ist alles klar?«
    »Ja. Bis auf die Menge. Ihr kriegt die Hälfte.«
    »Das ist eine Sauerei!« brüllte Heinrich.
    »Zugegeben. Aber die anderen Lazarette wollen auch was verbinden. Wir haben nicht mehr.«
    »Dann kann ich ja die Verwundeten gleich verrecken lassen!«
    Der Feldwebel sah an die Decke des Magazins. Er hob die Schultern.
    »Am besten ist, ihr laßt den ganzen Krieg verrecken …«
    Mit seinem Kübelwagen fuhr Walter Heinrich wieder hinaus aus Nasielsk nach Sczynno. Hinter ihm lagen ein paar Kartons und einige Holzkisten mit Medikamenten und Bestecken.
    Elsbeth, dachte er. Über Ihre Primanerjahre sind Sie anscheinend nicht hinausgekommen, hast du gesagt. Es ist wirklich so … ich bin verliebt wie ein Primaner. Ich könnte sogar ein Gedicht machen, im fünffüßigen Jambus …
    Ich werde nie die Sonne vergessen, wie sie auf deinen Haaren lag.
    Ich werde nie deine Augen vergessen. Deine Lippen, den spöttischen Mund, die braunen, schlanken Beine, umwirbelt von dem buntbedruckten Rock.
    Die Wälder von Sczynno schälten sich aus dem Dunst. Über ihnen kreisten Flugzeuge. Fernaufklärer der Staffel, die bei Sczynno einen Flugplatz besaßen. Auf den Feldern arbeiteten Bauern. Ein herrlicher Frieden lag über dem Land.
    Zwei Lazarettzüge aus Borissow und Baranowitschi, dachte Heinrich. Hunderte stöhnende und wimmernde Menschen …
    Warum … O Gott – warum?
    Warum kann nicht überall Frieden sein? Frieden und Liebe.
    Der Gefreite Schmitz aus Köln wurde mit allen Ehren begraben.
    Wenn es schon keiner gewagt hatte, ihn aus dem russischen Artilleriefeuer zu bergen, so sah es Leutnant Vogel doch als seine vordringliche Aufgabe an, ihm die Beerdigung eines wahren deutschen Helden zuteil werden zu lassen.
    Es begann damit, daß Vogel zunächst Hauptfeldwebel Kunze anbrüllte, weil er noch immer in Unterhemd und Hose und dazu noch auf Socken vor ihm stand und keinerlei Anstalten machte, diesen unmilitärischen Anblick zu korrigieren.
    »Was stehen Sie hier halb nackt herum?« schrie Vogel den verdutzten Kunze an. »Oder wollen Sie dem Gefreiten Schmitz die letzten militärischen Ehren im Aufzug eines Kaschemmenwirtes geben?«
    Hauptfeldwebel Kunze rannte in seine Schreibstube. Als Berliner war ihm die Typisierung ›Kaschemmenwirt‹ geläufig. Tief beleidigt schäumte er innerlich und schnauzte zunächst den Ia-Schreiber Simpelmeier an, der die Papiere in der Schreibstube ordnete, die durch Kunzes und Vogels schnellen Aufbruch durcheinandergewirbelt waren.
    »Stehen Sie nicht 'rum, Sie trübe Tasse!« brüllte er. »In zehn

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