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Die Rollbahn

Die Rollbahn

Titel: Die Rollbahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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trommelte sie gegen seine Brust und stemmte sich von ihm ab.
    »Halt!« sagte sie atemlos. »Paß doch auf! Du drückst doch alles kaputt!«
    Strakuweit schob den dicken, schwarzbehaarten Schädel vor. Ein Bär, breit, ungeschlacht, mit den Kräften unberührter Natur.
    »Was denn?« fragte er dumm.
    »Das Kind –« Lottchen nestelte wieder an seinen Uniformknöpfen. »Ich bekomme doch ein Kind von dir –«
    Strakuweits Kopf pendelte hin und her. Er starrte Lottchen an, wortlos, wie von einem riesigen Hammer vor die Stirn geschlagen. Der Oberfeldwebel kam zurück und stellte sich neben ihn.
    »Einsteigen! Soll ich Ihnen eine schriftliche Einladung schicken? Herrn Obergefreiten Piefke –«
    Strakuweits Kopf fuhr herum. Sein Blick war noch immer abwesend.
    »Ein Kind!« sagte er laut.
    »Kommt vor!« brüllte der Oberfeldwebel. Er schob Strakuweit von Lottchen weg an den Wagen, stieß ihn die Treppe hinauf und schlug hinter ihm die Tür zu. »Der Kommiß ernährt euch viel zu gut! Los! Tür verriegeln.«
    Strakuweit riß mit einem Ruck das Fenster herunter und beugte sich weit vor zu Lottchen hinab. Seine Arme pendelten an der Wagenwand und suchten die Hände Lottchens.
    »Aber wieso denn, Lottchen?« stammelte er fassungslos.
    »Deine Gelbsucht dauerte zwei Monate, Theo –«
    »Und seit wann –«
    »Ich war gestern beim Doktor. Jeden Morgen ist mir übel. Die erste Mamsell vom Gut meint, das könnte ein Mädchen werden –«
    »Lottchen«, stammelte er. »Lottchen … paß bloß auf dich auf. Schlepp keine Milchkannen mehr … laß die Erna den Stall misten … Und melk die Schwarze nicht, die schlägt aus … Hörst du, Lottchen …«
    Der Zug ruckte an. Die Feldgendarmen standen auf dem geleerten Bahnsteig, ihre blanken Schilder vor der Brust blitzten in der Sonne. Aus den Abteilen dröhnte der Gesang. Die letzten Zurufe, die letzten innigen Händedrücke … vielleicht die allerletzten. –
    Lottchen rannte neben der Tür her, in der Strakuweit mit dem halben Oberkörper heraushing, und winkte. Ihr Kleidchen flatterte um die stämmigen Beine, ihre runde, feste Brust wippte beim Laufen auf und ab. Strakuweit wurde das Herz schwer … er stöhnte und lehnte den Kopf an den Fensterrahmen. Mein Lottchen, dachte er und fühlte einen Krampf im Herzen. Mein kleines, süßes Lottchen und mein Kind. –
    Unteroffizier Leskau hob die Hand, als der Zug anruckte. Er winkte, und seine Augen waren traurig und verschleiert. Inge Hellwag stand auf dem leeren Bahnsteig und sah regungslos zu ihm empor.
    Komm wieder, dachte sie. Komm wieder, Fritz. Millionen Bräute denken das – ich weiß es, mein Liebster … Millionen Frauen haben geweint an Hunderten Bahnsteigen und werden weinen, wenn es nur ein Wunsch geblieben ist. Ich bin nicht mehr als alle anderen, und doch bin ich so egoistisch, zu sagen: Mein Gott, mein lieber, lieber Gott – laß ihn leben. Leben für mich! Ich liebe ihn ja so …
    Langsam rollte der Zug an. Die Lok pfiff … das Signal stand auf Frei. Inge ging neben dem Fenster her, in dem Leskau stand, und sah ihn aus ihren großen braunen Augen unverwandt an. Sie weinte nicht mehr. Jetzt, in den Sekunden der Endgültigkeit, war sie stark und hart vor der Tatsache der Trennung. Nur ihre Mundwinkel zuckten, ein Zittern überlief ihr Gesicht und verzerrte das müde Lächeln, das sie Leskau zum Abschied schenken wollte.
    Dann stampften die Räder schneller … sie blieb zurück, sah noch einmal das schmale, bleiche Gesicht hinter der hochgezogenen schmutzigen Scheibe, sah noch einmal seine Hand, wie sie ihr zuwinkte … Auf Wiedersehen, Inge … Auf Wiedersehen. Dann kamen andere Wagen, Lottchen lief mit flatterndem Kleid und stampfenden Beinen an ihr vorbei, plötzlich laut weinend und mit beiden Armen winkend und sie nach vorn stoßend, als wolle sie Strakuweit aus dem Wagen zurückreißen …
    »Theo!« schrie sie grell. »Theo … komm wieder –«
    Dann war der Bahnhof leer … die Sonne schien durch das große, gewölbte Glasdach, und nur in der Ferne fauchte eine lange, grauschwarze Schlange durch den Tag, befreit aus ihrem gläsernen Käfig, ein erbarmungsloses Reptil, das Tausende Leben mit sich führte, um sie draußen, weit weg in der Unendlichkeit des russischen Raumes, krepierenden Granaten, surrenden Gewehrkugeln und zischenden MG-Garben vorzuwerfen.
    Hier – freßt sie und gedeiht! Werde fett, Krieg … mäste dich, Tod! Sie haben dir einen schönen, glitzernden Mantel umgehängt, einen

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