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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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die Präsidentschaftswahl 1972 gewähre den Wählern »die klarste Entscheidung dieses Jahrhunderts«. Aber auf einer Ebene, die er nie verstehen wird, hatte er wahrscheinlich recht … und es ist Nixon selbst, der die dunkle, korrupte und unheilbar gewalttätige Seite des amerikanischen Nationalcharakters repräsentiert, den fast jedes andere Land dieser Erde zu fürchten und verachten gelernt hat. Unser Barbie-Puppen-Präsident mit seiner Barbie-Puppen-Ehefrau und seiner Schachtel voll Barbie-Puppen-Kinder ist zudem Amerikas Antwort auf den monströsen Mr. Hyde. Er ist Ausdruck des Werwolfs in uns, des Schinders, des raubgierigen Halunken, der sich in ein unsägliches Monster verwandelt, mit Krallen bewehrt und von blutenden Warzen übersät – in Nächten, wenn der Mond zu nahe kommt …
    Wenn es Mitternacht schlägt in Washington, dann steigt eine sabbernde, rotäugige Bestie mit den Beinen eines Menschen und dem Kopf einer riesigen Hyäne aus dem Schlafzimmerfenster im Südflügel des Weißen Hauses und springt die fünfzehn Meter hinunter auf den Rasen … hält einen Moment inne, um den Wachhund zu erwürgen, und macht sich dann eilig davon in die Dunkelheit … in Richtung Watergate; knurrend und fauchend vor Gier streunt das Monster durch die Nebenstraßen hinter der Pennsylvania Avenue und versucht verzweifelt, sich daran zu erinnern, welcher der vierhundert identischen Balkone derjenige von Martha Mitchells Apartment ist …
    Ach … Albträume, Albträume. Aber ich habe nur gescherzt. Der Präsident der Vereinigten Staaten würde sich niemals derart bizarr verhalten. Zumindest nicht während der Football-Saison. Aber wie würden die Wähler reagieren, wenn sie wüssten, dass der Präsident der Vereinigten Staaten die Aufsicht führte über »eine komplexe, weitreichende und unheilvolle Operation, durchgeführt von Helfern des Weißen Hauses und Mitgliedern der Wahlkampforganisation Nixons … die Sabotage ebenso einschloss wie Fälschung, Diebstahl von vertraulichen Dokumenten, Überwachung von Kandidaten der Demokratischen Partei und ihrer Familien … und die zudem unablässig bemüht war, Informationen zu sammeln, um Menschen erpressen und unter Druck setzen zu können«.
    Diese hässliche Charakterisierung bestimmter Operationen, die Nixons Stab durchführt, stammt aus einem Leitartikel der New York Times vom Donnerstag, dem 12. Oktober. Aber weder Nixon noch sonst jemand meinte, dies könne den geringsten Einfluss auf seine andauernde 2 : 1-Führung gegenüber McGovern in allen nationalen Wahlumfragen haben. Vier Tage später zeigte die Times /Yankelovich-Umfrage, dass Nixon mit unglaublichen 20 Punkten (57 Prozent gegenüber 37 Prozent, 16 Prozent noch unentschieden) vor dem Mann führte, den Bobby Kennedy als »den anständigsten Mann im Senat« bezeichnet hatte.
    »Verhängnisvoll« reicht wohl nicht, um eine Situation zu beschreiben, in der einer der unpopulärsten Politiker der amerikanischen Geschichte urplötzlich zum Volkshelden aufsteigt, während seine nächsten Ratgeber dabei erwischt werden, dass sie fast täglich nazimäßige Gigs abziehen, die selbst Martin Bormann peinlich gewesen wären.
    Wie lange wird es dauern, bis »hirnamputierte Extremisten« in Deutschland oder vielleicht Japan anfangen, uns eine Nation von Schweinen zu nennen? Wie würde Nixon darauf reagieren? »Kein Kommentar«? Und wie würden die Popularitätsumfragen reagieren, wenn er einfach vortreten und es zugeben würde?

Memo aus der Sportredaktion & ungehobelte Anmerkungen aus einer Dekompressionskammer in Miami
    2. August 1973
    Es herrscht keinerlei Freude in Woody Creek heute Abend – zumindest nicht in den verschlungenen Windungen der Brutstätte politischer Unmoral, auch bekannt als Owl Farm. Denn zweitausend Meilen entfernt, in der Sumpfhitze von Washington, D. C., schlägt sich mein alter Footballkumpel Dick Nixon mit Ärger der schlimmsten Sorte herum … die Aasgeier sind wieder auf dem Weg zu ihren heimatlichen Nestern – genauso wie er es immer vorhergesehen hatte –, und das Bewusstsein, nicht bei ihm sein zu können auf den schweißüberströmten Palisaden und die elenden Bussarde zu zertreten, wie Davy Crockett es mit den Mexen in Alamo veranstaltet hat, schmerzt mich so sehr, dass niemand meine Klagen abdrucken würde, wenn ich meinen Gefühlen adäquaten Ausdruck verliehe.
    »Delta Dawn … What’s that flower you have on?«
    Eine feine Musik dringt aus meinem Radio, während die

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