Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
Morgendämmerung über den Rockies heraufzieht … doch plötzlich bricht die Musik ab, und die Nachrichtenredaktion von ABC (American Entertainment Network) bringt eine Eilmeldung: Martha Mitchell fordert, dass »der Herr Präsident« entweder zurücktritt oder ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn eingeleitet wird – und zwar aus Gründen, die ihre überforderte Zunge nur anzudeuten in der Lage ist … und Charles »Tex« Colson, der vormalige Sonderberater des Präsidenten weist sämtliche Aussagen und eidesstattlichen Erklärungen – egal von wem – zurück, die ihn in Verbindung bringen mit Einbrüchen, Brandanschlägen, Telefonabhöraktionen, Meineiden, Bestechungszahlungen und anderen routinemäßigen Verbrechen in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit im Weißen Haus … und derweil entspannt sich der Präsident nach Lage der Dinge derzeit in seinem privaten Strandhaus in kalifornischen San Clemente, umgeben von den kümmerlichen Überresten seiner ehemaligen Prätorianergarde … Und man kann in der Tat selbst im Radio die Martinigläser klirren hören, während Gerald Warren – der jetzt schon auf verlorenem Posten kämpfende Ersatz für Ron Ziegler – eine weitere hastig zusammengeschusterte Erklärung (Ergänzung Nr. 67 zu Absatz 13 der Originalerklärung Nixons, in der er alles abstreitet) in die überhitzte Dex-Maschine füttert und ans Weiße Haus schickt, von wo aus sie unverzüglich an die landesweiten Medien weitergeleitet wird … und der Presseraum des Weißen Hauses kocht über von schuldgeplagten Journalisten, die sich über jede neue Erklärung hermachen wie ein Rudel wild gewordener afrikanischer Hunde, um so Buße zu tun für all die Dinge, von denen sie zwar wussten, über die sie aber niemals auch nur ein Wort geschrieben haben, solange Nixon auf der Welle des Erfolgs ritt …
Warum benutzt Nixon die lahmarschige Dex-Maschine und nicht den Mojo Wire? Warum trinkt er Martinis anstatt Wild Turkey? Warum trägt er Boxershorts? Warum ist sein ganzen Dasein ein düsteres Monument der Künstlichkeit, des Geschlechtslosen und Unsinnlichen? Wenn ich Nixons Weißes Haus betrachte, spüre ich augenblicklich eine Atmosphäre totaler persönlicher Entfremdung. Der Präsident und ich sind in so gut wie jeder Hinsicht anderer Meinung – mit Ausnahme von Football, und Nixons Footballmanie hat mich diesen Sport plötzlich mit anderen, zynischeren Augen sehen lassen, oder wie der verstorbene John Foster Dulles es einmal ausdrückte, eine »schmerzliche Neubewertung« vornehmen lassen. Alles, was Nixon mag, muss irgendwie suspekt sein. Genauso wie Hüttenkäse und Ketchup …
Die »Dex-Maschine«. Heiliger Strohsack! Erfahren zu müssen, dass Nixon und seine Leute so eine Kiste benutzen – und nicht den in puncto Kompaktheit, Geschwindigkeit und Vielseitigkeit haushoch überlegenen Mojo Wire, der außerdem auch noch transportabel ist – das war der endgültige Tiefschlag. Nur überboten von der Verbitterung über die schreiende Ungerechtigkeit, dass ich auf der berüchtigten Liste der »Feinde des Weißen Hauses« nicht auftauchte.
Ich hätte eine Zwangsvorladung ins Finanzamt dieser diffamierenden Nichtberücksichtigung vorgezogen. Herrgott! Was für eine elende Bande von Wasserköpfen hat diese Liste zusammengestellt? Wie kann ich mich je wieder in der Jerome Bar blicken lassen, wenn sich bis Aspen herumspricht, dass ich nicht auf dieser Liste stehe?
Glücklicherweise wurde die Liste schon 1971 zusammengestellt – was zumindest teilweise erklärt, warum mein Name fehlt. Ich habe mich erst ab 1972 mit dem Präsidenten befasst und ihn in einem landesweit publizierten Presseorgan als abgehalfterten billigen Jakob und von Geilheit zerfressenen Werwolf bezeichnet, dessen schiere Existenz (damals wie heute) ein Krebsgeschwür in der politischen Tradition Amerikas darstellt. Jede Anzeige, die seitens der Verleger meines Buches über den Wahlkampf 1972 entworfen wurde, begann mit einer wüsten Hasstirade auf all das, was Nixon jemals zu repräsentieren oder verkörpern hoffte und wofür er stand. Der Mann ist eine wandelnde Peinlichkeit für die menschliche Rasse – und, wie Bobby Kennedy einmal bemerkte, eine Beleidigung für das hohe Potenzial jenes Optimismus, der einst Männer wie Jefferson und Madison beflügelt hat und den Abe Lincoln einmal als »die letzte und beste Hoffnung der Menschheit« bezeichnet hat.
Es liegt eine schwache Genugtuung in dem Wissen, dass meine Nichtberücksichtigung auf
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