Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
Fernsehkameras … O Gott … noch mehr schlechte Nachrichten: Ich hatte Laura Palmer vor ein paar Stunden zum Flughafen geschickt, und sie kam gerade zurück mit einer ganzen Ladung Horrorgeschichten über panische Horden verängstigter Amerikaner. Die Evakuierungsflugzeuge sind mittlerweile die ganze Nacht im Einsatz (das ist erst seit Neuestem der Fall), und die Leute werden mehr oder weniger an Bord geschaufelt wie Kohle in einen Ofen. Ähnlich wüste Geschichten kommen auch von anderen Korrespondenten, die den Großteil des Tages dort draußen verbracht haben … Wir haben nur noch zwei Stunden bis zur Ausgangssperre, und nach neun Uhr kann ich nicht mehr zum UPI-Büro laufen, ohne das Risiko einzugehen, abgeknallt zu werden, zumal mir die Leute dort erklärt haben, dass dieses Risiko ziemlich groß ist, da die ARVN-Truppen und die Polizei auf den Straßen den Befehl haben, jeden, der sich dann noch draußen herumtreibt, zu erschießen und erst anschließend Fragen zu stellen.
Wir sitzen im Auge des Hurrikans, und das Wasser steht uns bis zum Hals. Saigon ist General Giaps »militärisches Hauptziel«, und er hat die ganze letzte Woche damit zugebracht, seine legendäre 325. Division, genannt »Stahl-Division«, von Norden in die Nähe von Saigon zu verlegen. Die »Stahl-Division« ist diejenige, die den Franzosen bei Dien Bien Phu das Genick gebrochen hat, und wenn wir aus Giaps feinem Gespür für Dramatik und Timing etwas schließen können, dann ist es die Tatsache, dass, sobald sich die 325. (bitte diese Zahl mit UPI abklären, wenn möglich) in Marsch setzt, das Schicksal Saigons besiegelt ist. Xuan Loc ist bereits abgeschnitten – und damit etwa 10000 Elitesoldaten der ARVN –, Bien Hoa liegt seit zwei Tagen unter ständigem Raketen- und Mörserbeschuss. Giap hat nun zehn vollständige Divisionen um Saigon herum zusammengezogen, und er verfügt außerdem über genügend 130-mm-Artillerie und Panzer russischer (und amerikanischer) Bauart, um mit einem finalen Angriff in Blitzkriegmanier in Saigon einzufallen, wann immer er will.
Es gibt etliche Leute, die überzeugt sind, dass es seitens der ARVN zu einem heroischen Aufbäumen kommen wird und sie versuchen werden, Bien Hoa zumindest für ein paar Tage zu halten, bevor die große Flucht in die Stadt einsetzt und es dort zu Szenen wie in Da Nang kommen wird … Aber mein Gefühl sagt mir, dass die Schlacht um Saigon bereits zu Ende ist und die Stahl-Division, sobald sie sich einmal in Marsch gesetzt hat, nicht einmal eine Kiff-Pause einlegen wird, bevor sie das Zentrum der Stadt erreicht hat. Und das ist nur eine Sache von Stunden.
… Herrgott, gerade kommen aus allen Ecken sehr glaubwürdige Informationen, dass die Lage sich dramatisch verschlimmert hat und wir damit rechnen müssen, dass die große Flucht aus Saigon bereits heute Nacht oder morgen losgehen wird. Details kann ich aus Gründen, die auf der Hand liegen, nicht per Telex durchgeben … Du kannst aber davon ausgehen, dass der Informationsfluss von meiner Seite, wie es hier so schön heißt »von jetzt an jederzeit«, abreißen wird und ihr das hier entweder als Ende des Artikels verwenden müsst oder als Einleitung/Mitteilung der Redaktion, um zu erklären, warum meine Geschichte so heillos konfus und unfertig erscheint. Wir arbeiten hier alle unter extremer Anspannung.
HST und Carters Law-Day-Ansprache
Zwei Jahre bevor er für das Amt des Präsidenten kandidierte, hielt Jimmy Carter eine kaum beachtete Rede an der Universität von Georgia. Hunter saß zufälligerweise im Publikum, er war mit Ted Kennedy zusammen nach Georgia geflogen, und was er zu hören bekam – wenn er nicht gerade einen seiner regelmäßigen Ausflüge auf den Parkplatz unternahm, um sich aus einer im Kofferraum eines Secret-Service-Wagens gebunkerten Flasche Wild Turkey zu bedienen –, fand er höchst bemerkenswert. Noch Jahre danach nötigte Hunter seine Freunde regelrecht dazu, sich seine Bänder mit der Aufnahme der später sogenannten Law-Day-Ansprache anzuhören, die Hunter wegen ihrer schieren Sprachgewalt auf eine Stufe mit General Douglas MacArthurs »alte Soldaten sterben niemals« aus seiner Rede vor dem Kongress 1951 stellte. (Darüber hinaus führte Hunter mit dem Kandidaten etliche Interviews, die Präsident Carter als sehr ausführlich und offen in Erinnerung hat – und zwar in einem solchen Maße, dass der Präsident sehr erleichtert war, irgendwann von Hunter zu erfahren, dass er die Bänder
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