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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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haben kann, dass wir jederzeit durch einen Geschütz- oder Bombenhagel aus unseren Betten aufgeschreckt werden können und es in der Morgendämmerung auf den Straßen Saigons nur so wimmeln wird von rundäugigen, langnasigen Journalisten, die wie aufgescheuchte Ratten zu einer der »Notfallsammelstellen« hetzen, die auf einer gestern von der US-Botschaft verteilten Liste aufgeführt sind.
    Bei diesen neu eingerichteten Sammelstellen, zu denen wir fliehen sollen, handelt es sich hauptsächlich um Hochhäuser im Zentrum von Saigon, deren Dächer genügend Platz bieten für die Landung von Marinehubschraubern, mit denen wir dann zunächst auf einen der Flugzeugträger der 17. Flotte ausgeflogen werden sollen, um anschließend auf der US-Marinebasis in Subic Bay auf den Philippinen in Sicherheit gebracht zu werden.
    Was allerdings reiner Schwachsinn ist. Würde eine Granate in diesem Moment im Erdgeschoss dieses Hotels einschlagen und die Halle unter mir in Schutt und Asche legen, und ich daraufhin meine Notfallrichtlinien konsultieren, dann könnte ich daraus entnehmen, dass meine Sammelstelle die Bezeichnung »3 Phan Van Dat« trägt – was mir absolut gar nichts sagt. Es könnte genauso gut die Adresse eines koptischen Massagesalons in Macao sein oder vielleicht auch der Spitzname des Sohnes Nummer drei einer ehemals stolzen südvietnamesischen Familie, der vor Kurzem auf Opium umgesattelt ist und sich einen Schwung maßgeschneiderter schwarzer Seidenanzüge im Pyjamaschnitt zugelegt hat.
    Was genau »3 Phan Van Dat« bedeutet, wissen vermutlich ein paar von den alten Hasen, die in ihren Zimmern mit den hohen Decken und den gekachelten Fußböden beiderseits des dunklen Flurs vor meiner Tür tief und fest schlafen … ich bin der Einzige in diesem Hotel, der Englisch spricht und um diese Uhrzeit wach ist. Und selbst, wenn ich nach draußen rennen, gegen sämtliche Türen treten und »Banzai! Es geht los!« brüllen würde, hätte das keine allzu gravierenden Folgen, da in etwa die Hälfte der Klientel dieses eleganten französischen Hotels aus der Kolonialzeit entweder volltrunken, bekifft oder total paralysiert von Opium ist.
    Die Verhängung einer Ausgangssperre nach neun Uhr im ganzen Stadtgebiet von Saigon durch die wacklige Regierung des General Ngyuen Van Thieu hat ziemlich miese Auswirkungen auf das gesellschaftliche Leben der Stadt. Sämtliche Bars, Restaurants und andere nächtliche Treffpunkte schließen nun um halb neun, damit die Angestellten es rechtzeitig bis um neun nach Hause schaffen, bevor Patrouillen übellauniger Militärpolizisten und junger Soldaten der ARVN die Straßen durchkämmen, mit dem Befehl jeden zu erschießen, der sich dann noch draußen aufhält.
    Ziel dieser Ausgangssperre ist es zu verhindern, dass Kundschafter des Vietcong oder andere terroristische Bombenleger nachts ihr Unwesen treiben. Jedoch hat dies einen deutlich bemerkbaren unangenehmen Nebeneffekt, nämlich dass wir von neun Uhr abends bis sechs Uhr morgens quasi wie Gefangene in unseren Hotels festsitzen, und nachdem dies schon seit etwa einem Monat anhält, gehen die Leute zunehmend dazu über, sich sämtlichen Lastern oder ekelhaften Leidenschaften hinzugeben, die sich ihnen darbieten. Wobei es – in Kombination mit den politischen Standpunkten – in Bezug auf die Mittel der Wahl beim Über-die-Stränge-Schlagen zwischen beiden Hotels gewisse Unterschiede gibt. Das Continental steht bei den »alten Asienkennern« des Caravelle allgemein in dem Ruf, bevölkert zu sein von »Rosaroten und Drogenheinis«, während dort wiederum die politischen Falken zu Hause sind, die mehr dem Schnaps und Schlägereien zusprechen.
    Letzte Nacht kam es im Caravelle zwischen ein paar britischen Zeitungsjournalisten und einigen Piloten der Flying Tiger Airlines zu einer Auseinandersetzung, die irgendwann gewalttätig wurde und damit endete, dass einer der Briten ziemlich Schläge einstecken musste … während die einzigen Notfälle im Continental letzte Nacht sich in einem Zimmer an der Wendeltreppe eine Etage über meinem ereigneten, wo ein halbes Dutzend amerikanischer Journalisten nach einer Kombination aus Opium, Pernod und mörderischem Gras aus Kambodscha auf die Bretter ging.
    Von diesem Kaliber sind die Leute, die ich im Falle eines Raketenangriffs aufwecken müsste, um mir von ihnen sagen zu lassen, was nun zu tun ist. Heute Nachmittag habe ich versucht, ein paar von ihnen die Benutzung der schweinisch teuren, aber technisch

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