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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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eigene Fleisch, aber Oscar war nicht in Stimmung, seine Hilfe mehr als einmal anzubieten. Also machte er sich auf den strategischen Rückzug nach Mazatlan, das er seine »zweite Heimat« nannte, um sich dort die Wunden zu lecken und seinen großen Chicano-Roman zu schreiben. Es war das Ende einer Ära! Der Kugelblitz von Chicano-Anwalt war auf dem Wege, ein halbwegs erfolgreicher Schriftsteller zu werden, eine Art Kultfigur – dann ein Flüchtling, ein Freak, und schließlich entweder ein auf alle Zeiten Vermisster oder eine unentdeckte Leiche.
    Die Polizei hat auf ihrer Liste von vermissten Personen nicht viele Zigeuner – und wenn Oscar nicht ganz der klassische Zigeuner war, weder in den eigenen Augen noch in meinen, dann nur, weil es ihm nicht gelang, die Nabelschnur zu kappen, die ihn für alle Ewigkeit mit der Behausung seiner Kindheit und mit seinem Geburtsort verband. Als er zwanzig Jahre alt war, hatte Oscar gelernt, acht Tage die Woche einschließlich Überstunden daran zu arbeiten, wie ein Zigeuner zu leben und sogar zu denken, aber so richtig ist es ihm nie gelungen, die Kluft zu überspringen.
    Obwohl ich in El Paso, Texas, geboren wurde, bin ich eigentlich ein Dörfler, ein Hinterwäldler, ein Mexikanerjunge von der anderen Seite des Bahndamms. Aufgewachsen bin ich in Riverbanks, Kalifornien; Post Office Box 303; Einwohnerzahl 3969. Es handelt sich um die einzige Stadt im ganzen Bundesstaat, deren Einwohnerzahl und sonstige statistische Daten bis heute unverändert geblieben sind. Auf dem Schild, das jeden willkommen heißt, der aus Richtung Modesto um die Kurve gefahren kommt, steht zu lesen: The City of Action.
    Wir wohnten in einer Hütte mit zwei Räumen ohne Fußboden. Wir mussten unser Wasser selbst pumpen und Kerosinlampen anzünden, wenn wir im Dunkeln lesen wollten. Aber hungern mussten wir nie. Mein Alter kaufte die Pintobohnen und das Weißmehl für die Tortillas in Zentnersäcken, aus denen meine Mutter dann Kleider, Laken und Vorhänge machte. Wir hatten zwei Äcker, auf denen wir jedes Jahr Mais, Tomaten und gelbe Chilis für die scharfe Sauce anbauten. Noch bevor mein Vater uns weckte, war meine alte Ma schon damit beschäftigt, um fünf Uhr in der Früh Tortillas zu machen, während er die Stämme zerkleinerte, die wir an den Wochenenden vom Fluss heraufgeschleppt hatten.
    Riverbanks ist in drei Wohnbezirke geteilt, und in meiner Ecke der Welt gab es nur drei Arten von Menschen: Mexikaner, Okies und Amerikaner. Katholiken, Holy Rollers und Protestanten. Pfirsichpflücker, Arbeiter in der Konservenfabrik und Angestellte.
    Wir wohnten auf der Westseite, in Riechweite der größten Tomatenmarkfabrik der Welt.
    Die Westseite ist noch immer eingegrenzt von den Gleisen der Santa Fe Railroad im Osten, dem Modesto/Oakdale Highway im Norden und dem Bewässerungskanal im Süden. In diesem Gebiet waren nur die Mexikaner vor den Hunden in der Nachbarschaft sicher, weil die ausschließlich auf spanische Kommandos hörten. Außer Bob Whitt und Emitt, beides Freunde von mir, die besser spanisch fluchen konnten als ich, sah ich niemals eine weiße Person auf den ungepflasterten Wegen in unserer Nachbarschaft.
    – Oscar Acosta The Autobiography of a Brown Buffalo , 1972
    Oscar Zeta Acosta war – trotz aller gegenteiligen Behauptungen – ein gefährlicher Schurke, der jeden Tag seines Lebens ein abschreckendes Beispiel dafür lieferte, dass ein Mann, der nach der WAHRHEIT giert, weder Gnade erwarten noch walten lassen sollte …
    … und eben das war der Unterschied zwischen Oscar und jener Masse gnadenloser Knilche, die er gegenüber Fremden so gern als seine Vorbilder ausgab: klasse Typen wie Benito Mussolini und Fatty Arbuckle.
    Wenn der große Abrechner kommt, um unter Oscars Namen Bilanz zu machen, dann wird eine der ersten Zeilen in seinem Kontobuch vermerken, dass ihm gewöhnlich der Mut für seine durchweg monströsen Überzeugungen fehlte. In jenem übergewichtigen, überarbeiteten und stets dem übermäßigem Genuss frönenden braunen Kanonenkugelkörper steckten mehr Erbarmen, Wahnsinn, Würde und Großzügigkeit, als den meisten von uns für den Rest des Lebens in irgendeiner menschlichen Form begegnen wird, mag sie auch die dreifache Größe von Oscar haben – und seit jener miese, fette Spic verschwunden ist, geht es für uns alle auf der guten Seite des Lebens auffällig magerer zu.
    Er war ein drogenverseuchtes Ungeheuer und ein wahrhaft teuflischer Gegner vor Gericht wie auf der

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