Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
Straße – aber keines dieser Dinge trieb ihn schließlich in den Tod oder ein Verschwinden, welches so ausgeklügelt inszeniert war, dass es aufs selbe hinausläuft.
Was den Braunen Büffel am Ende in die Knie zwang, war seine Weigerung, eine Brücke zwischen der selbstsüchtigen Eleganz seiner Instinkte und dem selbstzerstörerischen Rummelplatz seiner Realität zu schlagen. Bevor er Anwalt in Oakland und East L. A. wurde und in San Francisco und Beverly HilIs ein Autor des radical chic , war er Baptistenmissionar in einer Leprakolonie in Panama gewesen. Aber wenn die Sache heiß wurde oder wenn er hart am Abgrund arbeiten musste, war er Missionar. Das war der übermächtige Instinkt, der ihn für alles andere verdarb. Er war ein Prediger im Gerichtssaal, ein Prediger an der Schreibmaschine und ein Ehrfurcht gebietender Prediger, wenn er die Birne voll Acid hatte.
Leute, damit meine ich LSD-25 – eine nachweislich »gefährliche Droge«, die nicht mehr in Mode ist, und zwar deswegen, weil sie wirklich extrem und unnatürlich intensiv wirkt. Die CIA hatte schon recht, was das Acid betraf: Einige der besten und intelligentesten Mitarbeiter gingen im Namen eines Top-Secret-Forschungsprojektes über Bord, weil sie eine Droge zu sich genommen hatten, die am Ende als viel zu gefährlich und unkontrollierbar angesehen wurde, als dass man sie zu einer öffentlichen Waffe hätte machen können. Nicht mal die heilige Kuh »Nationale Sicherheit« reichte als Rechtfertigung für das gefährliche Spiel mit einem Ding, das zu klein ist, um wahrgenommen zu werden, und zu groß, um es unter Kontrolle zu halten. Die Mentalität der Geheimdienstler fühlte sich weitaus wohler bei der Beschäftigung mit Dingen wie Nervengas und Neutronenbomben.
Nicht jedoch der Braune Büffel – er griff zu LSD-25 mit einer Hingabe, die schon an Verehrung grenzte. Wenn sein Hirn sich wie gelähmt fühlte vom Horror der öden Rechtspraxis oder von einem Manuskript, mit dem er nicht weiterkam, dann brauste er einfach eine Woche in seinem frisierten Mustang durch die Gegend und gönnte sich etwas, das er »Wandeln mit dem König« nannte. Oscar nahm Acid, wie andere Anwälte Valium nehmen – und das war eine entschieden unprofessionelle und gelegentlich sogar schlimme Angewohnheit, die sogar die liberalsten seiner Kollegen schockierte und auch häufig seine Klienten in Panik versetzte.
Ich war an dem Abend in L. A. mit ihm zusammen, als er entschied, die einzig sinnvolle Kommunikation mit einem Richter, der ihn bei einer Verhandlung andauernd schikaniert hatte, bestünde darin, zum Haus dieses Mannes zu fahren und ihm den Rasen in Brand zu stecken – nach gründlicher Tränkung mit zehn Gallonen Benzin … und danach floh er nicht in die Nacht wie irgendein wahnwitziger Normalvandale, sondern er stand auf der Straße und heulte durch die Flammen hinauf zu einem Gesicht, das aus einem geborstenen Fenster in der ersten Etage hinabsah, und er lieferte eine von jenen Predigten über Moral und Gerechtigkeit im Stil von Billy Sunday.
Der Kern seines flammenden Textes bestand aus jenem hirnerweichenden Stück ewiger Verdammnis aus Lukas 11,46 – ein direktes Zitat von Jesus Christus:
»Er aber sprach: Und wehe auch euch Schriftgelehrten! Denn ihr beladet die Menschen mit unerträglichen Lasten, und ihr rühret sie nicht mit einem Finger an.«
Der Feuerrasen war Oscars Antwort auf das brennende Kreuz des Ku-Klux-Klan, und es bereitete ihm dieselbe dämonische Befriedigung.
»Hast du sein Gesicht gesehen?«, schrie er mir zu, als wir mit Vollgas und quietschenden Reifen nach Hollywood rasten. »Dieser korrupte alte Idiot! Ich weiß, dass er mich erkannt hat, aber zugeben würde er es nie! Kein bei Gericht zugelassener Anwalt würde je den Vorgartenrasen eines Richters in Brand setzen – das ganze System müsste zusammenbrechen, wenn Anwälte mit so einem verrückten Scheiß davonkämen.«
Das fand ich auch. Außerdem war mir nicht danach zumute, einem Anwalt, und mochte er auch auf noch so kriminelle Weise verrückt sein, in Grundfragen des Gesetzes zu widersprechen. Doch in Wahrheit kam es mir im überwiegend faschistischen Nixon-Kontext jener bösen Jahre niemals in den Sinn, Oscar als verrückt oder kriminell zu sehen.
In einer Ära, in der der Vizepräsident der Vereinigten Staaten in Washington Hof hielt, um von seinen ehemaligen Vasallen Geldabfindungen zu kassieren, und zwar dicke Packen von 100-Dollar-Scheinen, und in der der Präsident
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