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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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er sei das Problem, auf das wir alle gewartet hätten, hatte er sich definitiv der »Politik der Konfrontation« verschrieben – und das an allen Fronten: in den Bars oder den Gerichtssälen oder sogar auf den Straßen, wenn nötig.
    Oscar beteiligte sich nie an ernsten Straßenkämpfen, aber bei einer Kneipenschlägerei war er die Hölle auf Rädern. Jede Kombination aus einem 250-pfündigen Mexikaner und LSD-25 ist eine potenziell tödliche Bedrohung für alles, was in ihre Reichweite gerät – aber wenn dieser angebliche Mexikaner in Wahrheit ein hochgradig erboster Chicano-Anwalt ist, der nicht die geringste Furcht vor irgendeinem Lebewesen, das auf weniger als drei Beinen geht, kennt und zudem noch beseelt von der fraglos selbstmörderischen Überzeugung handelt, er werde im Alter von dreiunddreißig Jahren sterben – genau wie Jesus Christus –, dann hat man fraglos harte Arbeit vor sich. Besonders wenn der Hundesohn schon dreiunddreißigeinhalb ist, sich die Birne mit Sandoz-Acid vollgeknallt hat, eine geladene .357er-Magnum im Gürtel trägt, immerzu einen Leibwächter um sich hat, der eine Machete schwingt, und zudem über die verstörende Angewohnheit verfügt, alle dreißig oder vierzig Minuten oder wann immer sein bösartiges Magengeschwür keinen hochprozentigen Tequila mehr vertragen kann, wahre Geysire von leuchtend rotem Blut von der Vorderveranda zu speien.
    Das war der Braune Büffel in der vollen wahnwitzigen Blüte seiner besten Zeit – in der Tat ein Mann für alle Jahreszeiten. Es geschah irgendwann in der Mitte seines dreiunddreißigsten Lebensjahres, dass er mit seinem treuen Leibwächter Frank nach Colorado kam, um sich von einer nervenaufreibenden Kampagne als Kandidat für den Sheriffposten in Los Angeles County zu erholen, wo er mit ungefähr einer Million fehlender Stimmen verloren hatte. Aber mit diesem Verlust war es Oscar gelungen, sich in dem riesigen Chicano Barrio von East Los Angeles eine politische Basis zu schaffen – und dort fingen plötzlich selbst die konservativsten »Mexiko-Amerikaner« alten Stils an, sich »Chicanos« zu nennen, und sie bekamen zum ersten Mal bei »La Raza«-Demonstrationen Tränengas zu spüren. Und Oscar lernte schnell, dies als ein Forum zu nutzen, vor dem er sich selbst als der Feuer und Asche spuckende Hauptsprecher einer lawinenartig anwachsenden »Brown Power«-Bewegung darstellen konnte, die das Police Department in L. A. zur größeren Gefahr als die Black Panthers kürte.
    Was damals wahrscheinlich auch zutraf – aber rückblickend klingt es alles ein bisschen anders als 1969, als der Sheriff jede Nacht fünfzehn bis zwanzig Hubschraubereinsätze fliegen ließ, um die Dächer und Hinterhöfe im Barrio von Suchscheinwerfern ableuchten zu lassen, deren riesige Lichtkegel Oscar und seine Leute jedes Mal in blinde Wut versetzten, wenn sie sich plötzlich mit einem Joint in der einen Hand und einer Machete in der anderen im grellweißen Licht wie festgenagelt fühlten.
    Aber das ist eine andere und zudem sehr lange Geschichte – und da ich sie schon einmal geschrieben habe (»Befremdliche Töne in Aztlan«) und dabei nur mit Mühe und Not ohne aufgeschlitzte Kehle davonkam, bin ich dafür, dass wir sie einfach mal auf sich beruhen lassen.
    Die traurige Geschichte, wie Oscar im Barrio aus dem Stand der Gnade kippte, ist noch immer gesättigt von bösem Blut und übler Paranoia. Er war zu sehr getroffen, um sich im altehrwürdigen Stil eines professionellen Politikers zu widersetzen. Zudem war er bankrott, geschieden, voller Depressionen, und nachdem es zu dem »Geschwindigkeitsübertretung/Drogenbesitz«-Fall gekommen war, bei der Öffentlichkeit so tief in Ungnade gefallen, dass nicht mal Junkies ihn zum Anwalt wollten.
    Mit einem Wort, er und sein Traum von »einer Million Brauner Büffel« war in East L. A. erledigt … und auch überall sonst, wo es zählte, und deshalb machte Oscar wieder einmal »die Fliege«, und wieder hatte er dabei die Birne voll Acid.
    Aber …
    Nun … leicht ist es nicht, hier zu sitzen und ein unbewegtes Gesicht zu machen, wenn man sich des leisen Verdachts nicht erwehren kann, dass es tatsächlich einen Zusammenhang gibt zwischen Oscars traurigem Schicksal und seinem lebenslangen Engagement für die kompromisslose Verteidigung der Wahrheit. Es sind noch immer viele Leute auf den Beinen, und zwar besonders an Orten wie San Francisco und East L. A., die nichts lieber täten, als Oscar mit einem Schmiedehammer die

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