Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
selbst routinemäßig mit seinen obersten Ratgebern im Oval Office insgeheim mitgeschnittene Sitzungen abhielt, um illegale Lauschangriffe auszuhecken, politisch motivierte Einbrüche und andere obszöne Gesetzesverstöße, und das alles im Namen einer »schweigenden Mehrheit« – war es schwer, angesichts eines auf Acid ausgeflippten Anwalts, der um vier Uhr in der Früh den Vorgarten eines Richters in Brand setzt, etwas anderes zu empfinden als den Anflug nervöser Belustigung.
Ich könnte sogar in Versuchung geraten, eine derartige Tat zu rechtfertigen – aber natürlich wäre das falsch … Und mein Anwalt war KEIN »krummer Hund«, sondern nach besten Wissen und Gewissen kann ich sagen, dass seine Mutter mindestens ebenso sehr »eine Heilige« war wie die Mutter von Richard Nixon.
Weiß Gott. Und jetzt – als fast perfekter Tribut an jeden Eispickel, der je im Namen der Gerechtigkeit geschwungen worden ist – möchte ich, dass eine seltsame, aber unbestreitbare Tatsache auf alle Ewigkeit in die Archive aufgenommen wird: Oscar Z. Acosta wurde im Staate Kalifornien niemals die Genehmigung entzogen, als Anwalt zu praktizieren – dem Expräsidenten Richard Nixon jedoch wurde sie entzogen .
Es gibt offensichtlich einige Dinge, die nicht einmal Anwälte tolerieren; und in einer von Natur aus ungerechten Welt, in der die Symbolfigur der »Justitia« dafür geehrt wird, dass sie blind ist, wird sogar ein blindes Schwein von Zeit zu Zeit in der Lage sein, eine Eichel zu finden.
Oder vielleicht auch nicht – schließlich musste Oscar am Ende weitaus stärker unter der Ächtung durch seinen Berufsstand leiden als Richard Nixon unter dem Entzug der Lizenz. Die große Todesfee schrie fast zum selben Zeitpunkt nach ihnen beiden – aus gänzlich verschiedenen Gründen, aber mit beunruhigend ähnlichen Ergebnissen.
Nur dass Richard Nixon mit seinen Verbrechen zu Reichtum kam und Oscar Acosta um sein Leben. Die Mühlen der Gerechtigkeit mahlen sonderbar in diesem Leben, und wenn sie gelegentlich den Eindruck erwecken, nicht im richtigen Gleichgewicht oder gar dumm und launisch zu arbeiten, so läuft meine mitternächtliche Vermutung nur darauf hinaus, dass sie wahrscheinlich schon von Anfang an entsprechend manipuliert wurden. Und jeder Richter, der sich gemächlich in einen pensionsberechtigten Ruhestand zurückziehen kann, darf sich als ein Mann betrachten, der es gut getroffen hat, wenn er auf keine schlimmeren Racheaktionen zurückzublicken hat als ein paar angesengte Rasenflächen.
Schließlich erfordert es ja auch allerhand Arbeit und beträchtliches Risiko – und sogar eine gewisse Kunstfertigkeit –, einen Rasen, der fast einen halben Morgen groß ist, von einer Feuersbrunst dahinraffen zu lassen, ohne das Haus zu zerstören oder sämtliche Autos in der Auffahrt zu verschmoren. Viel leichter wäre es gewesen, aus dem gesamten Anwesen einen Scheiterhaufen zu machen und den Rasen Dilettanten zu überlassen.
Aber das war eben Oscars Ansicht zur Brandstiftung: Alles, was man macht, sollte man anständig machen. Und ich bekam genug von seinem Feuerzauber mit, um zu wissen, dass er recht hatte. Wenn er einerseits ein fürchterlicher Pyromane war, so war er andererseits auch ein guter Politiker und gelegentlich ein sehr begabter Künstler, was Stil und Tonfall seines Zündelns betraf.
Wie die meisten Anwälte mit einem höheren Intelligenzquotienten als sechzig lernte Oscar eine Definition von Gerechtigkeit an der juristischen Fakultät und eine ganz andere im Gerichtssaal. Er machte seinen Abschluss an irgendeiner Abendschule in der Post Street in San Francisco, während er als Laufbursche in der Redaktion des Examiner von Hearst arbeitete. Und eine Zeit lang war er sehr stolz darauf, Anwalt zu sein – aus denselben Gründen, warum er stolz darauf war, Missionar zu sein und erster Klarinettist in der Band der Leprakolonie.
Aber als ich ihm das erste Mal im Sommer 1967 begegnete, hatte er das, was er seine »Jugendliebe zum GESETZ« nannte, lange hinter sich. Genauso war es ihm mit seinem früheren missionarischen Eifer gegangen, und nach einem Jahr Arbeit an konkreten Fällen in einem »Zentrum für Rechtsberatung von Armen« in East Oakland war er so weit, Holmes und Brandeis auf den Müll zu kippen und sich dem Stil zu verschreiben, den Huey Newton und die Black Panthers im Umgang mit den Gesetzen und Gerichten Amerikas pflegten.
Als er in eine Bar namens Daisy Duck in Aspen gestürmt kam und verkündete,
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