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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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Leben ist, dass ich dich nie meinem alten Footballkumpel Richard Nixon habe vorstellen können. Nichts fürchtete er mehr im Leben – nicht mal Schwule, Juden und Mutanten – als Leute, die vielleicht Amok laufen; er nannte sie »unbefestigte Kanonen an Deck«, und er hätte sie am liebsten alle einschläfern lassen.
    Das ist ein Friedhof, den wir uns nie näher angesehen haben, Oscar, aber warum nicht? Wenn dein klassischer Paranoia-Stil à la »chancenloser Nigger« je gerechtfertigt war, dann musst du verstehen, dass es nicht nur Richard Nixon war, der dir an den Kragen wollte – sondern all die Leute, die wie Nixon dachten, und all die Richter und US-Staatsanwälte, die er im Laufe all der wirren Jahre ernannte. Gab es Freunde von Nixon unter all den Richtern an höheren Gerichten, die du mit Vorladungen unter Strafandrohung eingedeckt hast, die von dir verhöhnt und erniedrigt wurden, als du in L. A. das Auswahlsystem für die Grand Jury aus den Angeln heben wolltest? Wie viele jener Brown-Beret-»Leibwächter«, die du Brüder nanntest, waren raffiniert getarnte Spitzel oder Bullen? Ich erinnere mich, dass ich deswegen ernsthaft besorgt war, als wir an der Geschichte über den Chicano-Journalisten Ruben Salazar arbeiteten, der von einem Hilfssheriff des L. A. County erschossen worden war. Wie viele schießwütige und Bomben werfende Freaks, die in deiner Wohnung schliefen, sprachen morgens am Münzfernsprecher irgendeiner Chilibude mit dem Sheriff? Oder vielleicht sogar mit den Richtern, die dich immer wieder wegen Missachtung des Gerichts einsperrten, weil ihnen nichts anderes einfiel?
    Gut, so viel also zu den »paranoiden Sechzigern«. Es ist Zeit, diese abwegige Geisterbeschwörung zu beenden – oder zumindest fast Zeit, den Vorhang zu senken. Aber bevor wir zu den kruden Tatsachen zurückkehren und zu den rüden Anwaltswitzen, möchte ich doch sicherstellen, dass wenigstens in einem Dokument festgehalten wird, dass ich mindestens fünf Jahre lang vergeblich versucht habe, meinen angeblich ehemaligen samoanischen Anwalt Oscar Zeta Acosta zu überzeugen, dass es so was wie Paranoia nicht gibt : Zumindest nicht auf jenem kulturellen und politischen Kriegsschauplatz namens »East L. A.« in den späten Sechzigerjahren und besonders nicht für einen aggressiv radikalen »Chicano-Anwalt«, der meinte, er könne die ganze Nacht aufbleiben, jede Nacht, Acid einwerfen und Molotowcocktails schmeißen, und zwar zusammen mit denselben Leuten, die er am nächsten Morgen in einem Gerichtssaal im Stadtzentrum zu vertreten hatte.
    Es gab Zeiten – allzu oft, nach meinem Gefühl –, da erschien Oscar um neun Uhr morgens im Gericht, mit dem frischen Benzingeruch an den Händen und einer grünen Kruste angesengter Seifenflocken auf den Spitzen seiner 300 Dollar teuren Cowboystiefel aus Schlangenleder. Vor dem Gerichtsgebäude pflegte er immer lange genug stehen zu bleiben, um den Fernsehleuten für die Abendnachrichten fünf Minuten wirrer Rederei zu kredenzen, und dann scheuchte er seine nicht minder verrückten »Klienten« zum täglichen Kriegszirkus mit dem Richter in den Saal. Wenn man sich erst mal darauf verlegt hat, auf diese Weise die Bären zu ködern, dann ist Paranoia nur ein anderes Wort für Ignoranz … Sie sind wirklich darauf aus, dich zu schnappen.
    Die Chancen, dass man ihn wegen »Missachtung« des Gerichts ins Gefängnis verfrachtete, standen jeden Tag fifty-fifty – und das bedeutete, dass er ständig Gefahr lief, verhaftet und eingelocht zu werden, weil er die Taschen voller Bennies oder Black Beauties hatte. Nachdem er mehrere Male mit knapper Not entkommen war, entschied er, es sei nötig, im Gerichtssaal nur als Teil eines dreiköpfigen »Verteidigungsteams« aufzutreten.
    Einer seiner »Partner« war gewöhnlich ein gut gekleideter junger Chicano mit guten Manieren, dessen einzige Aufgabe darin bestand, jederzeit mindestens 100 Milligramm reines Speed bei sich zu haben und es Oscar zu verabreichen, sobald dieser das entsprechende Zeichen gab. Er musste ständig auf der Hut und den Gerichtsdienern immer einen Schritt voraus sein, wenn diese sich an Oscar heranmachen wollten – in einer solchen Situation schnappte er sich alle Pillen, Pülverchen, Schnappmesser oder sonstigen illegalen Dinge, die ihm ausgehändigt wurden, und sprintete wie ein menschliches Bazookageschoss zum nächsten Ausgang.
    Diese Strategie klappte fast zwei Jahre lang so gut, dass Oscar und seine Leute schließlich

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