Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
lähmende Gefühl der Hilflosigkeit, wenn die Stille einen träge macht, wenn man zum dritten Mal in einer guten halben Stunde an derselben verlassenen Scheune vorbeifährt und einem dann auf einmal auf einem zerfurchten Weg bergauf mit einem Ausblick auf das Nichts das Benzin ausgeht … Die einsetzende Panik, wenn Bremsen und Lenkung des 5200 Pfund schweren Cadillac ausfallen und der Wagen rückwärts über den Hügel und beinahe eine Klippe hinunterrollt.
Ich war auf der Suche nach meinen Homeboys, dem Polo-Team von Aspen, das gerüchteweise auf dem Weg nach Long Island war, um an einem Wettkampf teilzunehmen, der für einige Leute der Super Bowl des Polo war, die High-Goal U.S. Open. Es ging sogar die Rede von einem Sieg , davon, sich zu behaupten und die Besten der Welt auf deren eigener Rennbahn zu schlagen und mit dem Preis davonzugaloppieren.
Ich muss mich in jenem Sommer irgendwie gelangweilt haben, denn ich war auf seltsame Weise wie besessen von diesem Gedanken. Als Wette war das nicht so bescheuert, wie es sich angehört haben mag. Aspen Polo stellte sich als Bande großspuriger Polo-Söldner heraus, für die es zumindest auf dem Papier gut genug aussah, um jeden in der Welt schlagen zu können. Doug Matthews, mysteriöser Luftfahrtindustrie-Tycoon aus Atlanta, hatte die Polo-Welt verblüfft, indem er dreist genug war, Memo und Carlos anzuheuern, die beiden legendären Gracida-Brüder, und er ließ sie im selben Team spielen, darunter auch ein 23-jähriger heißer Typ aus South Carolina namens Tiger Kneece, dessen Six-Goal-Rating Gerüchten zufolge verdächtig weit unten angesiedelt war.
Die mexikanischen Gracida-Brüder waren beide Weltklasse-Ten-Goalers. Ja. Es war keineswegs eine schlechte Wettsituation – und als ich einige Wochen später herausfand, dass das Turnier bereits angekündigt war, sah unsere Wette gleich noch viel besser aus.
Wenn Polo-Menschen von »Gentleman’s Polo« reden, meinen sie etwas ganz anderes als das professionelle Polo oder auch »High Goal«. Die Gentleman-Version läuft auf einen Pferdesport für Amateure hinaus, eine Art Rodeo für reiche Cowboys, das von nicht gerade vielen Leuten im Land praktiziert wird – es sind vielleicht 0,001 Prozent der Bevölkerung oder sogar nur 0,0001 Prozent –, und es handelt sich dabei nicht um einen Sport für Zuschauer. Weniger als 0,00001 Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung hat jemals Polo gesehen, und nur 666 Menschen haben es sich überhaupt mal im Fernsehen angeschaut. Verglichen mit Polo ist selbst Jai alai [Variante des baskischen Pelotaspiels; Anm. d. Ü.] ein Massensport, und es haben mehr Menschen Geld dafür bezahlt, um im letzten Sommer beim Froschhüpf-Wettbewerb in Calaveras County dabei zu sein, als den berühmten U.S. Open in Long Island im September beizuwohnen.
Polo ist ein Sport für verkommene aggressive Reiche und für eine Handvoll gut ausgebildeter professioneller Pferde-Athleten, die durch die Welt streifen und sich selbst an den Meistbietenden verkaufen, oftmals jede Woche an einen anderen, und jedes Mal für ein fürstliches Honorar.
Jene, die diese Honorare bezahlen, werden Patrons genannt, ausgesprochen wie im Spanischen: patrones . Ein Patron heuert seine eigenen Spieler an – zumindest die übrigen drei –, und er spielt jede Minute eines jeden Chukker [Spieleinheit beim Polo; Anm. d. Ü.] selbst mit, ganz gleich, wie unfähig er ist. Aber man sollte sich da nichts vormachen: Die Patrons sind Polo, sie bezahlen alle Rechnungen und kaufen sämtliche Pferde und ermöglichen den High-Goal-Spielern den extravaganten Lebensstil, der in der Welt des Polo üblich ist; es ist der einzige Stil, den man dort kennt.
Die Patrons sind eine seltsame Brut und haben abgesehen von ihrer Überheblichkeit keine weiteren Gemeinsamkeiten. Zu keinem Zeitpunkt halten sich mehr als dreißig von ihnen irgendwo auf dieser Welt auf. Sie sind auf einer fiebrigen, kostspieligen Rundreise unterwegs, die sie von Palm Springs und Santa Barbara im Westen bis Palm Beach und Greenwich im Osten führt; dann weiter nach England und Frankreich, und wieder über den Atlantik zurück bis in die Pampa Argentiniens, dem weltweiten Mekka des High-Goal-Polos und geheiligten Geburtsort von Belinda, jenes mythischen vieräugigen gottgleichen Pferdes, des Sinnbilds für Polo schlechthin.
Belinda ist ein Luder, aber freundlich; es ist eine allwissende zügellose Nutte von einem Pferd, idiotisch habgierig, aber gleichzeitig auch
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