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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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eine Schlinge um den Hals legen, aber das Pferd war viel zu aufgebracht, um sich das gefallen zu lassen. Er war schließlich so verzweifelt, dass er zurück ins Haus lief und eine doppelläufige 12er-Schrotflinte mit einem 1,5-Millimeter-Kaliber holte, die er immer wieder gegen die Lippen und Zähne des Pferdes knallte, bis das Biest wütend in die Waffe biss – was dazu führte, dass aus beiden Läufen gleichzeitig Schüsse losgingen.
    »So viel dazu«, sagte er, als er mich unter dem Körper des toten Tiers hervorzerrte. Ich war voller Blut und mit heißen, dampfenden Exkrementen besudelt. Im Moment des Todes hatte das brutale Vieh seinen Darm entleert …
    Niemand konnte sich einen Reim darauf machen. »Es war Selbstmord«, sagte später der Tierarzt, doch das glaubte ihm keiner. Onkel Lawless liebte Tiere, und er konnte den Mord an diesem Pferd nicht mit seinem tiefen christlichen Glauben vereinbaren. Er verkaufte daraufhin seine Farm und wechselte ins Immobiliengeschäft, im Süden von Indiana, wo er schließlich geisteskrank wurde.
    Das größte Problem mit Pferden besteht darin, dass sie schlicht zu groß sind, um sich mit ihnen verständigen zu können, wenn sie verärgert sind – oder übrigens auch nur zickig, und hochgezüchtete Pferde sind berüchtigt für ihre zickige Art. Das mag bei einem kleinen Tier noch süß oder irgendwie exzentrisch wirken, aber wenn ein 1200 Pfund schweres Biest wegen irgendeines dummen Grolls oder aus Eifersucht durchdreht, und das auf einer Fläche, die kaum größer ist als die Behindertentoilette auf dem Männerklo des Flughafens von Denver – dann können jemandem, der das auf vernünftige Weise regeln will, einige unschöne Dinge passieren: Schädelbrüche, gebrochene Beine, gespaltene Nieren, Wirbelsäulenschäden bis hin zu dauerhaften Lähmungen. Der Tritt eines Pferdes aus nächster Nähe, ein wütend ausschlagender Huf, ist wie der Hieb mit einem Baseballschläger gegen das Schienbein. Das Fleisch wird aufgerissen, der menschliche Knochen wird zertrümmert. Man kommt in die Notaufnahme irgendwo auf dem Land und wird bis Einbruch der Dunkelheit eingegipst sein … wenn man Glück hat. Wer kein Glück hat, wird für den Rest seines Lebens humpeln.
    Ebenso wenig bekannt ist die Tatsache, dass Pferde aufgrund der Form ihrer Augäpfel menschliche Gestalten in sechsfacher Vergrößerung sehen und sie für zwei- oder dreimal näher halten, als sie es in Wirklichkeit sind. Dies variiert von Pferd zu Pferd, je nach genetischer Veranlagung, Alter, Größe der Augäpfel; Schmerzen jedenfalls sind jenen so gut wie sicher, die es versäumen, dieser bizarren Wahrheit der Natur Rechnung zu tragen. Man muss sich nur mal vorstellen, wie man sich einem Hund gegenüber verhalten würde, von dem man glaubte, er sei sechsmal größer als in Wirklichkeit.
    Fünf Jahre später
    Es gibt Tage, an denen man zu viele Merkwürdigkeiten in seinem Leben entdeckt. Das passiert völlig unerwartet – oder zumindest scheint es so. In Wahrheit aber verhält es sich wie mit einer Eiterbeule, die platzt – ein Ausbruch von fauligen Säften, die die ganze Zeit über schon da waren und dann plötzlich hervortreten, sodass ein jeder sie sehen kann.
    Und so geschah es im Sommer 1994, dass ich mich selbst dabei wiederfand, wie ich guten Mutes auf den abseitigen Wegen eines offiziellen Polo-Parcours umherwanderte; ich war auf der Suche nach Verrücktheiten und wollte dahin, wo etwas los war. Idiotisch, aber was soll’s? Idiotisch ist genau die richtige Einstellung, um sich in einer unbekannten Gegend einfach so herumzutreiben, und es gibt Tage, da ist die Suche nach Action fast genauso gut wie die Action selbst.
    Wie auch immer, ich verbrachte in jenem Sommer eine Menge langer, glühend heißer Nachmittage, an denen ich in meinem alten 1976er-Cadillac-Cabrio, Modell Fleetwood Eldorado, in den Bergen herumkurvte und nach Spuren von Leuten Ausschau hielt, die möglicherweise an irgendeiner inoffiziellen Polo-Nummer dran waren – vielleicht ein heimliches Training oder ein Spiel, das nirgends angekündigt war –, und so ging es vor und zurück im Sonnenlicht, auf engen staubigen Straßen, an hoch oben in den Bergen gelegenen Weiden mit summenden elektrischen Zäunen vorbei, alle zwei oder drei Meilen ein Stall mit Blechdach, an Wochentagen aber war kaum ein Zeichen menschlichen Lebens zu sehen.
    Nichts als Tiere, dreckige blöde Tiere. Und die grässliche, brennende Sonne. Der Durst, die Wut, das

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