Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
Vom Netzwerk:
seit seinem Bau 1874 immer wieder heimgesucht hatten.
    Trotzdem ging der Betrieb weiter; hier spielten sie alle Polo: William Vanderbilt, John Pierpont Morgan, Lillian Russell, Billy Rose. Das Garden City war das Aspen der Zwanziger, ein idyllischer Außenposten, geprägt von Gier, Wohlstand, rauen Kerlen und Frauen, die es ablehnten, einen Slip zu tragen. Und kein Zweifel, Scott Fitzgerald brütete einst genau an dieser Bar über seinen Gedanken, so wie ich es heute tat. Der Ort stank schon immer nach Tod, beim Pferdefieber in den Zwanzigern genauso wie während des menschlichen Hirntods in den Neunzigern … Und sogar noch heute finden sich in den Aufzügen wilde Typen, die aufblasbare Gummipuppen in ihren Armen wiegen und freundschaftlich mit den Nachtportiers plaudern. Es ist ein wundervoller Ort zum Verweilen, wenn man tot ist … Im Garden City Hotel verbrachte ich die beste Zeit meines Lebens. Es ist eine feurige Gruft, magisch, mysteriös, mythisch. Du willst Spaß, Bubba? Dann bist du hier genau richtig.
    Schon seit zwei Wochen fand jeden zweiten Tag das Polo-Turnier in Long Island und im Greenwich Polo Club in Connecticut statt – nur zehn Meilen auf dem Wasserweg entfernt, bei dem es sich um einen ominösen grauen Strom der Meerenge handelte. Ich musste an Jay Gatsby denken, wie er auf seinem Rasen stand und über das Wasser hinweg auf die grünen Lichter am Ende von Daisys Pier starrte … Das Garden City Hotel aber ist weit entfernt von Gatsby-Country, und auch Daisy hält sich hier nicht mehr auf. Seit den Zeiten von Gatsby hat sich Long Island drastisch verändert. Garden City selbst war damals ein ländliches Dorf, in dessen Anfangszeit das Hotel für Kutschen von Manhattan aus so schwer zu erreichen war, dass es gefühlt so weit entfernt war wie Kuba.
    Zur Jahrhundertwende wurde es zum bevorzugten Kurort der Reichen und Berühmten. Teddy Roosevelt wohnte gleich um die Ecke in Oyster Bay und war oft Gast in der Hotelbar, wo er versuchte, den örtlichen Geldadel mit leidenschaftlichen Ansprachen auf ein schnelles Polo-Spiel auf sein Anwesen zu locken. Teddy würde den Ort nicht wiedererkennen. Das Hotel ist dreimal bis auf die Grundmauern abgebrannt. In dieser vierten Inkarnation ist das Kutschenhaus einer Disco gewichen, und Joey Buttafuoco hat Gatsby als tragische Berühmtheit unter den Stammgästen abgelöst.
    Als ich hier ankam, war der Ausgang der Meisterschaft noch offen. Die meisten der Ausländer wurden gedemütigt, und meine Homeboys entwickelten sich zu den gefürchtetsten Herausforderern. In der entscheidenden letzten Woche gab es immer noch vier ungeschlagene Teams, darunter auch Aspen. Natürlich war das ganze Team gekauft, und nur einer hatte überhaupt jemals einen Fuß nach Aspen gesetzt – Doug Matthews nämlich, der gerissene Patron. Aber so funktioniert das beim Polo, und ich schien der Einzige zu sein, den das beunruhigte.
    Aber nicht lange. Ich begriff langsam, dass es nichts nützte, sich über bestimmte Dinge aufzuregen. Es handelt sich um eine völlig andere Welt, die man nur akzeptieren kann, wenn man alles daran akzeptiert … So war ich zunächst noch geschockt, dass der offizielle Hauptsitz des Turniers, der legendäre Meadowbrook Polo Club, nur noch ein gespenstischer Abklatsch seiner selbst war. Das Gelände sah immer noch hübsch aus, und das verlassene Clubhaus machte einen eleganten Eindruck, doch es gab keine Polo-Plätze mehr, keine Polo-Ponys, keinen Kaviar-Brunch, keine grinsenden bankrotten Aristokraten, die auf der Terrasse herumstolzierten und halb nackte spanische Kurtisanen im Arm hielten. »Jetzt ist es ein Parkplatz«, sagte Al Bianco sr., der Präsident des Clubs, als ich mich bei ihm erkundigte, »wir nennen ihn aber immer noch das Polo-Feld.«
    Das beunruhigte mich nicht weiter. »Klar«, sagte ich. »Sieht gut aus. Ziehen wir uns auf einen Mint Julep an die Bar zurück.«
    »Hier gibt es keine Bar«, sagte er. »Aber ich kenne ein nettes italienisches Lokal drüben in Levittown. Schauen Sie mal vorbei, ich lade Sie ein.«
    »Zu freundlich«, sagte ich, »aber ich fürchte, das müssen wir verschieben. Mein Filmteam wartet auf mich im Hotel. Ich hab’s eilig.«
    »Wie schade«, meinte er. »Sieht man sich morgen beim Spiel?«
    »Darauf können Sie sich verlassen«, sagte ich. »Wir werden ihnen den Arsch aufreißen. Die gottverdammten Argies kriegen, was sie verdienen. Meine Homeboys sind unschlagbar!«
    Er wurde bleich und schaute betreten zur Seite,

Weitere Kostenlose Bücher