Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
Tugenden schreibt, riskiert Kopf und Kragen – und schon sind wir wieder in Bills Nachbarschaft, mitten in der Revolution der Unzucht … So stehen die Dinge, das ist die Botschaft, und jeder, der sich dagegen ausspricht, dem wird es wie König Knut, dem Großen, ergehen, der versucht hat, ein ganzes Meer zurückzuhalten.
Bill Clinton hat sich gefragt, welches Erbe er in der Geschichte hinterlassen würde, doch er sollte sich nicht länger darüber Gedanken machen. Er darf von der Liste seiner Errungenschaften streichen: das Ende des Wohlfahrtsstaats, wie wir ihn kennen, eine Präsidentschaft während der größten Friedens- und Wachstumsperiode seit den Tagen Octavians, den Abbau der Staatsschulden, die weltweite Öffnung für den freien Handel, und die Bewerkstelligung des großen sechsjährigen Aufschwungs an der Wall Street.
Inzwischen sind sich die meisten Historiker einig, dass Clinton als der Präsident in die Geschichte eingehen wird, der die Unzucht legalisiert hat und Millionen Amerikaner von den Ketten der Prüderie und hoffnungsloser Ignoranz befreit hat.
Abe Lincoln hat die Sklaven befreit, Thomas Jefferson hat halb Amerika für siebzehn Cent pro Acre gekauft, und Bill Clinton hat Oralsex während der Arbeitszeit gesellschaftsfähig gemacht. Das wirkliche Opfer dieses Durcheinanders wird der Vizepräsident sein. Es ist eine beachtliche Leistung für einen zwei Legislaturperioden lang amtierenden Präsidenten, seinen Nachfolger mit rekordverdächtigen Umfragewerten zurückzulassen. Das kann nur bedeuten, dass das Volk glücklich mit den Dingen ist, so wie sie sind, und dass immer so weitergehen wird. Al Gore wird unter fürchterlichen Druck geraten, wenn er Clintons Standard von Unzucht aufrechterhalten will. Ja, wir sind mitten in einer Revolution. Sollte der Vizepräsident noch irgendwelche Fragen haben, wäre er gut beraten, die Definition von »Unzucht« im Wörterbuch nachzuschlagen:
Unzucht , F., »Mangel an Zucht, (bis 1973) Bezeichnung für die strafbare sexuelle Handlung welche die geschlechtliche Sittlichkeit verletzt«, mhd. unzuht, F., »Betragen gegen die Zucht, Ungehörigkeit, Ungeschicklichkeit, Ungezogenheit, Ungesittetheit, Unsittlichkeit!«, ahd. unzuht (10. Jh.), F., »Zuchtlosigkeit, unzüchtiges Betragen, Ungestüm, Mangel an Bildung«, Lüt. lat. indisciplinatio, F., »Mangel an Zucht«?, s. un, Zucht
Klingt übel, oder? Na ja, stell dich besser drauf ein, Bubba. Die Wählerschaft hat gesprochen, und im Jahr 2000 wird sie es wieder tun.
Reflexionen
In den späten Neunzigern hatte Hunter, statt neue Texte zu schreiben, seine Energie größtenteils darauf konzentriert, sein literarisches Vermächtnis sicherzustellen, indem er Tausende Briefe ordnete und veröffentlichte. Der erste Band, The Proud Highway , war soeben mit großem Erfolg erschienen, und der zweite, Angst und Schrecken in Amerika , sollte bald kommen. »Hey Rube« war ein gut getarnter Doppelschlag – ja, neues Material, aber auf eine Art, wie man es von Hunter kaum kannte: eine ausführliche, wohlüberlegte Selbstreflexion und ungeschminkt Autobiografisches mit einer großen Bandbreite: regelmäßiges Schwimmengehen spätnachts im Pool seines Nachbarn in Woody Creek; Besuche bei seiner Großmutter während der Kindheitstage in Louisville; seine Helden Burroughs, Kerouac, James Dean und Robert Mitchum; und das metaphysische Thema »Musik als Treibstoff«.
Brief von HST an JSW
7. Mai 1998
Lieber Jann,
Glückwunsch zum General-Excellence-Preis & zu all dem anderen. Das hat Wellen geschlagen, & ich bin stolz, ein Teil davon zu sein.
Wie geht’s deinem Rücken?
Ich habe vor, in der Woche vom 20. Mai in NY zu sein.
Anbei das Exposé für eine neue Story, an der ich gerade dran bin, der Titel ist HEY RUBE! Amüsier dich & lass mich wissen, ob dich das interessiert, & vielleicht kommen wir ins Geschäft.
Okay. Ich werde jetzt rausgehen und ein Stinktier erlegen.
Bis bald,
HST.
Hey Rube! Ich liebe dich: Unheimliche Reflexionen über Treibstoff, Wahnsinn & Musik
13. Mai 1999
Darum möge unser Herr seinen Knechten, die vor ihm stehen, befehlen, einen Mann zu suchen, der die Zither zu spielen versteht. Sobald dich der böse Geist Gottes überfällt, soll er auf der Zither spielen; dann wird es dir wieder gutgehen.
– Samuel I, 16,16
Es ist jetzt Sonntagmorgen, und ich schreibe einen Liebesbrief. Draußen vor meinem Küchenfenster ist ein strahlend blauer Himmel, und die Planeten stoßen zusammen. Mein Kopf
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