Die Romanow-Prophezeiung
Russland.«
»Ich kenne Mr. Hayes.«
»Könnten Sie ihn anrufen und ihm mitteilen, wo ich mich aufhalte?«
»Selbstverständlich. Aber könnten Sie mir bitte sagen, warum Sie in San Francisco sind und sich Zugang zum Banksafe der Commerce & Merchants Bank verschafft haben?«
Lord lehnte sich hinten an. »Ich bin mir nicht sicher, ob Sie mir glauben, wenn ich es Ihnen sage.«
»Dann machen wir doch die Probe aufs Exempel.«
»Ich suche nach Alexej und Anastasia Romanow.«
Auf der anderen Seite der Leitung kam es zu einer langen Pause. Witenka warf ihm einen erstaunten Blick zu.
»Könnten Sie mir das erklären, Mr. Lord?«, kam die Stimme aus dem Lautsprecher.
»Anscheinend konnten diese beiden Romanow-Kinder aus Jekaterinburg entkommen und wurden von Felix Jussupow hierher in die Vereinigten Staaten gebracht. Er erfüllte eine Prophezeiung, die Rasputin im Jahre 1916 ausgesprochen hatte. Dafür fand ich Belege in den Moskauer Archiven.«
»Womit wollen Sie das beweisen?«
Bevor er noch antworten konnte, war von draußen das Heulen eines Notfallwagens zu hören, der unten auf der Straße vorbeifuhr. Normalerweise hätte er dem keine Aufmerksamkeit geschenkt, aber dasselbe Heulen ertönte auch aus dem Lautsprecher.
Lord war sofort klar, was das zu bedeuten hatte.
Er sprang auf die Beine und schoss aus dem Raum.
Witenka rief seinen Namen.
Lord riss die Tür auf und sah in Hängelids Grinsegesicht. Hinter ihm stand Felix Oleg. Hängelid schlug Lord die Faust ins Gesicht. Er taumelte rückwärts und stieß gegen Witenkas Tisch. Aus seiner Nase strömte Blut. Sein Blick flimmerte, das Zimmer verschwand – und war wieder da.
Oleg stürmte vor und schlug auf ihn ein.
Lord ging zu Boden. Jemand sagte etwas, aber er konnte die Wörter nicht mehr auseinander halten.
Obwohl er dagegen ankämpfte, umfing ihn Dunkelheit.
36
Lord wachte auf. Er war auf denselben Stuhl gefesselt, auf dem er während seines Gesprächs mit Witenka gesessen hatte, die Arme und Beine mit Isolierband fixiert und den Mund zugeklebt. Seine Nase tat weh, und Pullover und Jeans waren mit Blut befleckt. Er konnte zwar noch sehen, doch sein rechtes Auge war zugeschwollen, und die drei Männer, die vor ihm standen, wirkten verschwommen.
»Aufwachen, Mr. Lord.«
Er konzentrierte sich auf den Sprecher. Oleg. Er sprach Russisch.
»Sie können mich gewiss verstehen. Ich schlage vor, Sie geben zu erkennen, ob Sie mich hören oder nicht.«
Er schüttelte leicht den Kopf.
»Gut. Wie schön, Sie hier in Amerika, dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten, wiederzusehen. Ein wunderbares Land, nicht wahr?«
Hängelid trat vor und rammte Lord die Faust zwischen die Beine. Der Schmerz fuhr Lord wie ein Stromstoß durchs Rückgrat und trieb ihm die Tränen in die Augen. Das Band über seinem Mund erstickte seinen Schrei. Sein Atem ging pfeifend vom verzweifelten Bemühen, durch die schmerzende Nase genug Luft zu bekommen.
»Verdammter Tschorni «, knurrte Hängelid.
Er holte erneut zum Schlag aus, doch Oleg packte seine Faust. »Genug. Sonst wird er wertlos für uns.« Oleg schob Hängelid zum Schreibtisch zurück und trat dann näher an Lord heran. »Mr. Lord, dieser Herr hier mag Sie nicht. Sie haben ihm Spray in die Augen gesprüht und ihn auf den Kopf geschlagen. Er würde Sie nur zu gerne umbringen, und dagegen hätte ich auch gar nichts einzuwenden, aber die Leute, für die ich arbeite, brauchen ein paar Informationen von Ihnen. Sie haben mir die Vollmacht erteilt, Ihnen im Tausch für Ihre Kooperation das Leben zu schenken.«
Lord glaubte ihm keine Sekunde. Offensichtlich verrieten seine Augen dieses Misstrauen.
»Sie glauben mir nicht. Ausgezeichnet. Nun, es ist in der Tat eine Lüge. Sie werden sterben, das ist sicher. Aber Ihre Kooperationsbereitschaft wird die Art Ihres Todes beeinflussen.« Oleg hatte sich dicht über ihn gebeugt, und sein Gestank nach billigem Fusel vermischte sich mit dem Geruch von Lords Blut. »Es gibt zwei Möglichkeiten. Eine Kugel in den Kopf, was schnell und schmerzlos ist, oder das hier.« Oleg zeigte ihm ein Stück Isolierband, das von seinem ausgestreckten Zeigefinger herabbaumelte, riss es los und drückte es über Lords gebrochener Nase fest.
Der Schmerz ließ ihm erneut die Tränen in die Augen schießen, doch wirklich alarmierend war das plötzliche Ausbleiben des Atems. Jetzt, wo Nase und Mund verschlossen waren, war der Sauerstoffrest in seiner Lunge bald verbraucht. Dabei war nicht nur das
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